Fließgewässersysteme haben sich über Jahrtausende in Abhängigkeit der gege-
benen Bedingungen (Form der Land-oberfläche, Niederschlag, Höhenlage
/Gefälle, Geologie) quasi evolutiv ent-
wickelt.
Sie dienen im dicht besiedelten Gebiet, wie dem Mittleren Neckarraum, nur mehr selten unserer Wasserversorgung. Vielmehr wird Trink- und Brauchwasser aus Regionen mit qualitativ gutem Wasser importiert.
Bäche und Flüsse müssen in stark besiedelten Regionen
im Mittel mehr Wasser aufnehmen, weil eingeleitetes Abwasser aus fremden Wassereinzugsgebieten stammt, aber auch, weil durch schnelle Ableitung viel weniger Wasser vor Ort verdunstet
die durch Oberflächenversiegelung hervorgerufenen schnelleren & höheren Niederschlagsabflüsse transportieren
unser komplettes Abwasser entsorgen. Wir düngen die Flüsse – Düngemittel
die Felder. Hochwirksame Arzneimittel-Rückstände belasten mittlerweile die Gewässerorganismen. Die Fische werden u.U. verspeist und wir schätzen Naturerfahrung am plätschernden Bach mit
multiresistenten Bakterien
auf ihre Aue verzichten. Durch die stark erosiven Abflüsse wurden viele Fließ-
gewässer (Mini-Canyons) von ihrer Aue entkoppelt, wenn sie ohnehin nicht durch bauliche Maßnahmen von ihr abgetrennt wurden, um Platz für Inten-sivgrünland1, Industrie, Siedlung und Sport
zu schaffen
unseren Müll - man findet die unglaublichsten Dinge in Gewässern - weg-transportieren
wasserbaulichen Maßnahmen wie Begradigung (Beispiel Ammer) und Querverbau (Hochwasserrückhalt2) standhalten.
In weitgehend austarierten Fließgewässer-Systemen (Entwicklungszeiträume s.o.) hat jeder Eingriff unerwünschte Folgen3 und zieht korrigierende Wasserbau- oder Renaturierungs-Maßnahmen nach sich. Eine "Renaturierung der Morphologie" gelingt bisweilen deshalb, weil Fließgewässer durch ihre Dynamik einen hohen Grad an Resilienz (anders als Moore) aufweisen.
Gewässerbeurteilung nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL Artengruppen) und Gewässerstrukturgütekartierung der Bundesländer stehen leider weitgehend beziehungslos nebeneinander. Eine Harmonisierung zwischen Zielen und Methoden herbeizuführen, wäre nach 20 Jahren parallel-laufender Erhebungen eine lohnende Aufgabe.
Die Bilder zeigen einen Maisacker im Schwäbischen. Er hat eine Fläche von 1/2 Hektar (= 5000 m²). An der Grenze Grünland/Acker ist eine Stufe von 20 cm ausgebildet. Sie entstand durch Erosion in den letzten 10 Jahren. In diesem Zeitraum sind somit 0,2 m mal 5000 m² = 1000m³ Erdmaterial verschwunden.
Bei der Dichte von 1,5 t/m³ (Schluff) wurden bei dieser kleinen Fläche innerhalb von zehn Jahren 1500 t Erdboden fortgespült.
1 Wäre angesichts häufiger Trockenjahre mit annähernd
Totalausfall des Wiesenaufwuchses die
ein oder andere verbleibende "Nasswiese" nicht ökonomisch vertretbar (Risikostreuung)?
2 Wasserrückhalt in der Landschaft ist eine der wichtigsten
Querschnittsaufgaben der Gegenwart und
sollte fachübergreifend gedacht werden. Die derzeit noch verbreitete Einstellung - überspitzt for-
muliert - „Wasserbautechniker kümmern sich um Wohl und Sicherheit der Menschen und Ökologen
um Biber und etwas Renaturierung“ wäre zu überdenken. Wasserrückhalt in der Landschaft, nach
Jahrhunderten der Gewässerbegradigung, Tiefenerosion und Absenkung der Fluss- und Bach-
wasserspiegel und nachfolgende Austrocknung der umgebenden Landschaft, bedeutet etwas ande-
res, als die um eine Klasse veränderte Gewässer-Strukturgüte.
Auch ein terrestrischer Biotopverbund ohne funktionierende „Lebensadern“ ist nur ein halber.
3 Die Summe der sich über Jahrzehnte einstellenden unerwünschten
Nebenwirkungen übertreffen
meist die beabsichtigte Hauptwirkung.