„Willst du in die Zukunft sehen, geh in die Hauptstadt" (C. Mauny)
1. Die wackelige Nachhaltigkeitspyramide
Die Themenseite befasst sich mit stadtökologischen Themen in der Metropolregion.
Wirtschaft - Gesellschaft - Öko-logie. Was bestimmt eigentlich was, und was ist die Basis von allem?
1992 wurde auf der UN-Konfer-enz die Agenda 21 als Zukunfts-programm für dieses Jahrhun-dert verabschiedet. Im Kern geht es dabei um die nachhaltige Nutzung der (Welt)Ressourcen.
Die Agenda sieht als Ziel nachhaltiger Entwicklung die gleichrangige Berücksichtigung der drei Nachhaltigkeitsbereiche Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft/Soziales.
2. Stuttgart - ein spezieller Fall?
Die auf dieser Website aufgegriffenen ökologischen1 Aspekte stehen im Falle der Landeshauptstadt Stuttgart2 in engem Zusammenhang mit den Schutzgütern
1. Gesundheit
2. Wasserressourcen
3. Klima
und dahin zielenden Anpassungsmaßnahmen. Themen, die in der Landeshauptstadt viel zu oft mit indirekten-abstrakten Nachhaltigkeits-Indikatoren, symbolischer Öko-logie und scheinoffensivem
Umgang mit kritischen Umweltzuständen ("Feingestaubt"
"Camping am Nesenbach", "Tanzen fürs Klima") abgearbeitet werden. Assistiert
von technischem Umweltschutz, der sich zwar den im medial-öffentlichen Fokus stehen-den Symptomen widmet3, deren Ursachen
aber nicht selten ignoriert.
Natur- und Umweltschutz in Stuttgart ist ein spezieller Fall, der nur teilweise mit der allgemeinen Krise der Naturschutzverwaltung in Deutschland3, insbesondere auf der kommunalen Ebene (Landkreise und kreisfreie Städte), aber auch Mittel- und Lan-desbehörden, zusammenhängt.
Umweltschutz in Stuttgart darf zwar Klimainnovations- & Waldbeirat, Streuobst & Apfelsaft sowie schnellgesprochene-zeitgeistige
Klima-Podcasts (Klimachen...) u.s.f., hat sich aber auf Flächen schwindelerregender Quadratmeterpreise herauszuhalten.
Daneben bestimmen zivilgesellschaftliches Engagement, Verbände, Kunst4 und eine - jedenfalls bezüglich der hier behandelten
Themenfelder - eigentümlich-nichtssa-
gende Berichterstattung der von politischen Amtsträgerinnen gefütterten Südwest-deutschen Medienholding das Bild in der Öffentlichkeit.
Eine über Jahrzehnte inhalt-lich fruchtlose Beziehung, von der angenommen werden darf, dass sie - im nun fort-geschrittenen Alter - keinen überraschenden Nachwuchs mehr hervorbringen wird.
3. Die ökologische Stadt - eine Absurdität?5
Aktuell werden Maßnahmen zum Schutz vor städtischer Überwärmung, Luft- und Gewässerbelastung - wenn überhaupt - nur während und nach unerwünschten Er-eignissen ergriffen, um Einsatzwillen und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Mit auf vorhandenen Ressourcen basierenden, proaktiven Ansätzen - damit sind weder Mooswände, Vertikal- und Dachwälder, Atmosphärenfiltercubes, oder Seenbelüfter gemeint - tut man sich in Stuttgart schwer.
Daher existiert auch kein lokal verankertes, konsequentes Umweltmonitoring, das konkret und anschaulich Umweltwirkungen aufzeigt und daher für Politik und Stadt-verwaltung ein hohes Risiko birgt.
Nämlich, Befunde weder unter den Tisch kehren, noch zerreden zu können.5 Kon-
zeptionell richtig aufgegleistes Biomonitoring löst keine Probleme, klärt aber wo
diese liegen und eignet sich hervorragend für echte Maßnahmenevaluationen. Im-mer neue/gleiche Faltblättchen über Natur & Ökologie, deren halbe
Auflagen dem Altpapier zugute kommen, leisten dies heute und auch in Zukunft nicht.
4. Umweltbeobachtung & -politik in Stadt, Land, Nesenbach
Prinzipiell ist an der WWWW-Liste6 der Spitzen-Umweltpolitiker des Landes Baden-
Württemberg nichts auszusetzen. Nur besteht hinsichtlich Umweltbeobachtung und Maßnahmenevaluation in Stuttgart, zumal offiziell
überhaupt keine Notwendigkeit.
Mutmaßungen hierzu:
1. Falls es stimmt, dass „regierungs-amtlich ausgelobte Themen heute zunehmend ergebnisdeterminiert ver-
geben werden“ (Deutscher Rat für Landespflege 2022), dienen Analysen vorrangig der Bestätigung der Vorstel-lungswelt der Auftraggeber.
2. Umweltpolitik & Umweltadministra-tion7 in Stuttgart sind nicht geneigt zwi-schen medien- bzw. kindergerecht ins-zenierter symbolischer Ökologie und wirksamen ökologischen Prinzipien zu unterscheiden.
U.a., weil die auf Landes- bzw. Bundesebene regelmäßig stattfindenden Fachtagung-en zu Umweltmonitoring von Universitätspersonal getragen sind, deren Inhalte von unteren Verwaltungsebenen und Praktikern/Akteuren nicht wahr- bzw. ernstgenom-men werden. Vor dem Hintergrund der Geschäftigkeit in Sachen Biomonitoring, sei bemerkt, dass es in Deutschland bereits seit Mitte der 1980er Jahre unter dem Ein-druck der Waldschadens- & Gewässerversauerungsberichte anerkannt und etabliert war. Heute offenbar längst vergessene Protagonisten an Baden-Württembergischen Universitäten wie K. H. Kreeb oder U. Arndt und eine fortschrittliche Landesanstalt für Umweltschutz (damals: LfU; heute: LUBW) waren Garant, Umweltmonitoring richtig aufzugleisen.
3. Eine umfassende Problemwahrnehmung sowie eine langfristige Auseinandersetz-ung mit ökologischen Phänomenen (Sauerstoffschwund Seen, Luftschadstoffe und ihre vielfältige Wirkung, Eigenart der Stadt-Vegetation) erfolgt nicht. Jahr für Jahr ist man erneut überrascht und überfordert. Die im Krisenfall kurzfristig anberaumten technischen Maßnahmen bedienen genau die Aufmerksamkeit, die ein medial gehyp-tes Problem beansprucht. Für wichtige Elemente der Daseinsvorsorge zeichnen, z.B. im Fall des Max-Eyth-Sees, mittlerweile Werbebudgets von Firmen & Stiftungen verantwortlich - wird es kritisch, darf das THW den Schlamassel richten.
4. Keine Bereitschaft wenigstens überschlägige Wirksamkeitsüberlegungen durchzu-führen (nur so sind Dachwälder, Horizontal- & Mobilbäume, Mooswände, Atmosphä-renfilter und die Aussaat von Salbei-Glatthaferwiesen auf überdüngten/salzbelaste-ten Fahrbahnmittelstreifen zu erklären), bevor Geld fließt, MinisterInnen, Bürger-meister und StadträtInnen die Maßnahmen bejubeln, Medien alles breittreten und entsprechende Umweltverbesserungen Realität werden...
...um bald danach kommentarlos zu verschwinden.
5. Ein Erklärungsversuch
Seit einem halben Jahrhundert lassen sich in Deutschland Natur- und Umweltschutz nicht mehr - einfach so - unterschlagen.
Gibt es Gründe für politisch-administra-tives Wegducken und Beharren, selbst wenn konsequentem Handeln in den hier besprochenen Themenfeldern nichts entgegensteht?
Die Gründe, sind nicht sachinhaltlicher Natur - sie liegen woanders.
Die effizienteste Art und Weise ökologisch begründete Handlungsoptionen, die dem Wirtschaftsrationalismus scheinbar entgenstehen, in geordnete Bahnen zu lenken, ist schlicht die Besetzung administrativer Schlüsselstellen mit bewährtem Personal.
Ein Kern-Markenzeichen der über ein halbes Jahrhundert in Baden-Württemberg re-gierenden Christlich Demokratischen Union (s. Grafik). Entsprechend durchgeformte Entscheidungskaskaden (Hierarchien) in Stadt und Land ändern sich allein durch Personaldurchsatz, bestenfalls langsam.
Fatal für die Stuttgarter Metropolregion, wie stark sich eine Struktur gewordene, nach allen Richtungen absichernde Geisteshaltung, bis ins weitere Umfeld der Um-weltbildungseinrichtungen, wie Ökostationen, Volkshochschulen, Umweltakademien bis hin zu Fachhochschulen, dauerhaft behauptet. Warum neben allgegenwärtigen Angeboten zu Naturerfahrung, Streuobstpädagogik (Pädagogik für Obst?) und Arten-kennerInnen, wenigstens 20 Umweltstudiengängen und Hochschul-Lehrstühlen für Stadtökologie, in Stadt- & Landesverwaltung/Landespolitik noch so viel kostspielige Symbolökologie?
In naher Zukunft wird alles anders.
Neckar-Masterplan, stadtökologische Planungsvorhaben für die IBA'27, Ausschreib-ungen/Wettbewerbe zu alternativen Ökonomien, Schwammstadt überall. Werden Stadtverwalter mit den Vorstellungen innovativer Stadtentwicklung der einbestellten Kreativen auch einmal Schritt halten und sie nicht nur als Feigenblatt missbrauchen?
Es ist Stuttgart zu wünschen.
6. Eindeutige Aussagen - klare Handlungsoptionen
a) Zwei langfristige und konsequente Beispiele für (Bio)monitoring8
der Luftqualität und der lokalen Wasserressourcen Stuttgarts.
b) Ein unmittelbar zur Minderung städtischer Überwärmung nutzbares
Konzept9, sich der überall sprießenden, längst an
das Stadtklima ange-
passten neophytischen und einheimischen Baumschösslinge
zu bedienen.
Das etablierte Monitoring der drei Handlungsfelder
Nicht nur, dass man sich im "Land des Gehörtwerdens" in der Stadt Stuttgart in ei-ner Enklave der seit langem Ertaubten befindet. Dass eine Landeshauptstadt Schau-fenster nachhaltiger Transformation sein könnte und hierzu ein Wirkungsmonitoring des Wassereinzugsgebiets, der Grünflächen und Schadstoff-Immissionen Politik- und Verwaltungshandeln unterstützt und öffentlichkeitswirksam macht, geht auch an der Landespolitik völlig vorbei.
Dafür permanente Neuinszenierung - das Gegenteil von Nachhaltigkeit.
1 Hierzu gibt es - s. Grafik - vergleichsweise wenig und kaum aussagekräftige Beiträge.
Warum eigentlich?
Siehe den aktuellen Bericht Lebenswertes Stuttgart - Die globale Agenda 2030 auf lokaler Ebene.
2 Gewinnerin des Deutschen Nachhaltigkeitspreises
2021. „Die Teilnehmer des Wettbewerbs qualifizieren sich
durch das Ausfüllen eines elektronischen Fragebogens. Die Methodik zielt dabei auf maximale Transparenz ab,
hält den Bearbeitungsaufwand für die Bewerber überschaubar und soll der Komplexität des Nachhaltigkeits-
managements in großen und kleinen Einheiten gerecht werden". Soviel von wikipedia zum
DNP.
Nach einer Studie der Universität Hohenheim (2018) liegt der DNP hinsichtlich Bekanntheit, Glaubwürdigkeit,
Begehrlichkeit auf Platz 1. 2021 wurdenauch Billie Eilish und Ursula von der Leyen mit dem DNP geehrt...
Wenn jedes Jahr (irgend)eine weitere deutsche Stadt den Preis erhält, sollte man damit auch bald durch sein.
3 Tradionelle Stuttgarter Praxis. Die Notwendigkeit, auf ökologischen Prinzipien
beruhende Maßnahmen in der
Stadt kontinuierlich und adaptiv umzusetzen, wurde noch nie ernsthaft erwogen.
Dafür ein unerklärlicher Hang zu ökologischen Leuchtturmprojekten (100 Meter Mooswand, Vertikalbäume,
Dachbäume, Atmosphärenfilter, technische Seenbelüftung), deren Mittel besser eine Dauerstelle für eine
Ökologin, um Verwaltungs-Ressorts und dem Gemeinderat auf die Finger zu schauen, finanziert hätte.
Nur, wer möchte
einen solchen Job
- kompetent, der Faktenlage verpflichtet, engagiert, angstfrei - in Stuttgart machen?
Die Bedeutung administrativer Hierarchien für das Stuttgarter Amt für Umweltschutz ist Geschichte.
Das Amt wirke heute „etwas unnahbar", wie der neueste Amtsleiter bemerkt (Stgt. Nachrichten 27.4.2023).
Eine über mehrere Jahrzehnte andauernde Entwicklung bis zu dieser lapidaren Feststellung ist kein Zufall
(Naturschutzverwaltung im 21. Jahrhundert).
4 Immer anregend! Bis die Lieder verklungen, Denkmäler abgebaut (S-21-Denkmal; Peter Lenk), Wildnis
zurechtgestutzt (Sanctuarium; Herman de Vries), Bilder & Transparente abgehängt sind.
Eher Teil des Stuttgarter Kulturbetriebs, als ein Beitrag zu bleibenden Nachhaltigkeitsstrukturen.
5 Lohrberg, F. (2002):Die ökologische Stadt - eine Absurdität. Landschaftsplanung.NET. 1- 3.
Reuter, U. & R. Kapp (2019): Studie zur Umsetzung von kommunalen Klimawandel-Anpassungsmaßnahmen
in der Stadt Stuttgart. 42 S..
Die Unterscheidung zwischen Zielerreichung im technischem Umweltschutz (Bsp.: Unterschreitung des EU-
Grenzwertes von 40µg/m³ um 1 µg/m³) und einem echten Umweltverständnis (Bsp.: Die Bedeutung eines
Jahresmittelwerts von 39 µg/m³ auf die Lebewelt - Menschen eingeschlossen) ist tatsächlich nicht Aufgabe
von Politik, oder gar Verwaltungsbehörden, aber die der zahlreichen Bildungseinrichtungen.
6 WWWW: Waswünschenswertwäre. Insgesamt 100 Verbesserungsvorschläge, u.a. für Umweltbeobachtung/
Monitoring liegen auf dem Tisch.
Ist Stuttgart ein Sonderfall, d.h. als dauerhaft im Ausnahmezustand befindlich, von solchen
Ideen zu verschonen? Aber: Ist Stuttgart nicht irgendwie auch the Länd?
7 Medien sind hier leider nachgeordnet, da sie bei diesen Inhalten weder eigene
Themenschwerpunkte setzen,
noch hinreichend qualifizierten Fachjournalismus aufbieten. So lange die medial präsenten Naturwissen-
schaftlerinnen in Deutschland an einer Hand abzählbar sind, lauscht die breite Öffentlichkeit in eine mediale
Echokammer (des Schreckens).
8 Limnoterra dürfen, wie jedem Planungsbüro, bei regulärer Tätigkeit gerne ökonomische Motive unterstellt
werden. Die Bearbeitung der hier aufgeführten Themen erfolgt hingegen ausschließlich auf private Kosten.
Interessenskonflikte - etwa bei Verärgerung von Auftraggebern, werden so ausgeschlossen und nur dadurch
ist Unabhängigkeit gewährleistet. Hier getroffene Aussagen können nur sachinhaltlich kritisiert werden.
Dies ist bislang vonseiten keiner Fachinstanz (vonseiten der Politik schon gar nicht) geschehen, was verständ-
lich ist, da in diesem Fall Entscheidungsstrukturen und Handeln ernsthaft hinterfragt werden müssten.
9
Stuttgart hat einen Klimainnovationsrat, einen Klimainnovationsfonds und organisiert Klimakampagnen.
Bei dem in Europa mit 20 Millionen Euro (jährlich!) größten kommunalen Innovationsfonds - in Stuttgart re-
det man viel über Geld, nie über erstarrte Strukturen - sind Privatpersonen, freiberuflich Tätige und andere
Einzelunternehmende nicht antragsberechtigt, dafür Firmen, Organisationen, Fantasiestartups, Universitäten.
Ob deren Aktivitäten in den letzten 40 Jahren in irgendeinem Umweltbezug zu Stuttgart gestanden haben ist
völlig irrelevant. Das Problem der Nicht-Kenntnis Stuttgarter Gegebenheiten merkt man daher nur allzu deut-
lich. Dieselbe Förderstruktur bei der Stiftung Naturschutzfonds Baden-Württemberg, wo Privatpersonen nur in
Form von Sachausgaben gefördert werden. Empfehlen Universitäten horizontal gepflanzte Bäume, erhalten sie
100% Projektförderung. Verständlich. Bestehende Strukturen und das Ehrenamt müssen mit einer geschick-
ten Kombination aus Zuwendungen/Zuwendungsversagung erhalten werden.