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Grünland

100 Jahre Wiesen und Weiden

„Nicht die Tatsachen verwirren die Menschen, sondern die Lehrmeinun-gen über die Tatsachen“ (Epiktet; Gams 1918).

 

„Ja, manche wechseln ihr Aussehen mit der Witterung so sehr, dass man sie in dem einen Jahre z.B. als Glatt-hafertyp, im nächsten dagegen viel-leicht als Schwingeltyp ansprechen müsste“ (Knoll 1932).

 

„Sobald wir sie uns genauer ansehen, erkennen wir, daß keine ganz der anderen gleicht“ (Ellenberg 1952).
 

 

 

„Außerhalb der Gesellschaftssystematik und von ihr unabhängig stehen die auf [...] Graswirtschaft zugeschnittenen [...] Wiesentypen“ (Braun-Blanquet 1964; S. 113).

 

„Der im Deutschen oft verwendete Ausdruck 'Mager-Fettweide' klingt zwar ein wenig paradox, ist aber den eigentlichen Magerweiden, den extensiv genutzten Mesobro-meten und Nardeten gegenüber gerechtfertigt“ (Müller & Oberdorfer 1983).

 

Vegetationskarten, Klimakarten, auf denen die Abgrenzungen so scharf gezogen sind, wie auf politischen Karten, entsprechen nicht der Wirklichkeit, sondern kom-men nur dem Ordnungssinn des naturfremden Menschen entgegen“ (Walter 1986).

 

„In gleichem Maße, wie das Ansehen der Vegetationskunde in den Planungsdiszipli-nen steigt, sinkt ihr Stern in der scientific community“ (Wiegleb 1986).1

 

„Erst eine mühevolle jahrelange und flächendeckende Arbeit, unterstützt durch die im Gedächtnis gespeicherte Erfahrung, kann schließlich zu einem benutzbaren Sys-tem als Grundlage aller weiterführenden Fragestellungen führen“ (Oberdorfer 1988).2

 

„Die Pflanzensoziologie ist gegenüber dem Naturschutz in einer Situation, die ver-gleichbar der eines gewissenhaften Malers ist, von dem ein Gönner ein schönes Por-trät kaufen will" (Gehlken 2000).

 

„Vorherrschende Pflanzenart der Salbei-Glatthafer-Wiese ist in der Regel die Auf-rechte Trespe (Bromus erectus)...“ (Nowak & Schulz 2002).

 

„Lehren führen gewöhnlich nicht zu Einsichten, sie produzieren bloß Anhänger“ (Lütz 2015).

 

Nach pflanzensoziologischer Nomenklatur würde man sprachlich nicht besonders elegant von „mageren Fettwiesen“ sprechen“ (www.wikipedia.org/wiki/Magerrasen).

 

„Dennoch wird erst jetzt mit diesem freilandtauglichen Werk erstmals die Vielfalt der Grünlandtypen allgemeinverständlich beschrieben“ (Sturm & al. 2018).

Grünlandanalysen

Die Karte von Baden-Württemberg zeigt Bereiche (Grüne Quadrate), in denen in einhundert Wiesen und Weiden
Vegetationsaufnahmen durchgeführt wurden.

 

 

 

 

Sie repräsentieren Naturräume Süd-westdeutschlands und der Schweiz, die in Abhängigkeit von Bewirtschaftung, Standort & Artenpool eine unterschied-liche Anzahl höherer Pflanzen je 10m² aufweisen (Pflanzenarten-Vielfalt auf definierter Fläche = Alpha-Diversität).

 

 

Die Erhebungen wurden über Jahre hinweg und nicht zu einem bestimmten (Klassifi-kations)Zweck durchgeführt. Zu jeder Aufnahmefläche gibt es ein Bild (s.u.), das wenigstens dominante und auffällige Arten erkennen lässt. Darin, Arten weitgehend vollständig aufzulisten, besteht gewissermaßen die Arbeit eines Vegetationskund-lers oder einer Vegetations-Kartiererin. Die Gesamtartenzahl beträgt 165.

 

Mit der Artenliste (Vegetationsdaten) werden bestimmte Annahmen hinterfragt.3 

 

Etwa, ob es Indikatorarten gibt, oder eine Ordnung auf Basis der floristischen Zu-sammensetzung existiert. Daneben wird die Aussagefähigkeit von Zeigerwerten und die Unschärfen bestehender naturschutzfachlicher Klassifikationen des (FFH)Grün-landes thematisiert. Auch werden mögliche Verfahrensweisen zu deren Beantwort-ung hier vorgestellt. 

 

 

Frage 1: Gibt es Indikatorarten für Artenreichtum?


Der Datensatz wurde nach Artenreichtum je 10m² in drei Klassen eingeteilt; gering (bis 15 Arten), mittel (16-25 Arten) und hoch (26-40 Arten). Mit Hilfe der INDVAL-Prozedur  (Präsenz-Absenz) wurden am reduzierten Datensatz4 Indikatorarten für eine hohe (s.o.) Blütenpflanzen-Vielfalt ermittelt. Davon sind die ersten fünfzehn in der Tabelle (s.u.) gelistet. Da diese Klassifikation nicht unabhängig von den Arten selbst sein kann, ist der Signifikanzwert leicht verzerrt.

Weitgehende Übereinstimmung der Ergebnisse besteht hinsichtlich der
 

  • Verteilungseigenschaften mit dem Grünlandmonitoring Bayern 2015
  • mit den Arten assoziierten „floristic diversity“ (Grime & al. 1990. Beachte das hierbei wei-ter gefasste Lebensraumspektrum sowie das Fehlen mancher Arten im UCPE - Unit of Comparative Plant Ecology - Untersuchungsraum)
  • Liste der Zielarten für artenreiches Wirtschaftsgrünland (Ruff & al. 2013. Beachte  hier-bei den Ausschluss der Gräser)

 

Bereits vorhandene Ansätze zur Grünlandbewertung können durch die Berücksich-
tigung der Indikatorqualität (INDVAL-Index; Signifikanzniveau) wissenschaftlich fun-diert, verbessert und in Unkenntnis der zukünftigen Vegetationsentwicklung flexibili-
siert werden.

Frage 2: Welche Muster zeigen die floristischen Daten der Wiesen?

 

Ordination der Aufnahmen & Arten

 

Im einfachsten Fall braucht es dafür Artenlisten (1/0: Art vorhanden/nicht vorhanden) und Kenntnis der Örtlich-keiten, an denen die Listen erstellt wurden. Zwar kann man selbst für eine Zusammenstellung der Aufnahmedaten sorgen, nur nimmt man damit Ergebnis-se vorweg und ignoriert unerwartete.

 

Die numerischen (hier: DCA)5 Verfah-ren der Ordination legen die in den Daten vorhandenen Strukturen offen.

 

 

 

Die Zusammenhänge veranschaulicht dabei ein Diagramm. Es reduziert den 100di-mensionalen Aufnahmenraum (für die Arten) und den 99dimensionalen Artenraum (für die Aufnahmen), auf zwei Dimensionen. Die Achsen des Koordinatensystems stellen vielfach sich überlagernde Gradienten dar, die Teile der gesamten Variabilität auf sich vereinen. Ihre Aufgabe ist es, den Datensatz in 2D maximal zu spreiten. Daneben sollen sich robuste floristische Strukturen zeigen.

 

  • Offensichtlich können 100 Aufnahmen und 99 Arten in einer Darstellung untergebracht werden, was einiges Kopfzerbrechen erspart
  • Ganz rechts im Diagramm erkennt man Arten des vergleichsweise niederschlagsreichen und silikatischen Schwarzwaldes. Indikatorarten für höchste Artendiversität (s. Liste; Ergebnis zu Frage 1) stehen in der oberen Diagrammhälfte

 

Was zeichnet die Arten in der unteren Diagrammhälfte aus? Gibt es noch weitere Gemeinschaftsstrukturen? Hinterliegt den Achsen standörtliche Bedeutung?

Auf solche Fragen liefert eine Ordination ausschließlich der Pflanzenarten keine Ant-
wort; vielmehr hilft sie weiterführende Hypothesen zu bilden, die wiederum unab-
hängig zu testen sind. Die Begründung für eine solche Vorgehensweise ist, dass man nicht die verbreitete Meinungen, aber auch Lehrbuchwissen, nicht andauernd nur bestätigt, sondern reale floristische Muster - die einen in ihrer Prägnanz, andere in ihrer Unschärfe - selbst einschätzen kann.

 

Die weiterführende Frage, wo die Pflanzen-Diversität von Grünland herrührt, bedarf der räumlich sinnvoll skalierten Betrachtung von wenigstens drei Faktorenkomplex-en. Bewirtschaftung, Standort (Boden- & Klima) und Artenpool/Artenausbreitung in der Umgebung. Siehe hierzu auch das Kapitel Artendiversität in der Landschaft.

Frage 3: Wie variabel ist die Artenzusammensetzung in extensivem
              Grünland?

Schaut man sich die Bilder der Aufnahmeflächen Nr. 65, 66, 67 an, erkennt man eine zentrale Dauerflächenmarkierung. In den Jahren 2015, 2020, 2021, 2024 wurde der Artenbestand auf den Flächen im Mai erfasst und die Artähnlichkeit nach Jaccard berechnet. Die Berechnung (a = Zahl gemeinsamer Arten; b und c = Arten, die nur jeweils in einer der Aufnahmen vertreten sind. Die Doppelnull-Situation, d.h. eine Art fehlt in beiden Aufnahmen, wird in sog. asymmetrischen Koeffizienten nicht gewertet) und Interpretation ist einfach.

Sind bei der Aufnahme zweier Aufnahmeflächen (F) die Hälfte der Arten (A) iden-tisch, so beträgt der Ähnlichkeitsindex 0,50 oder 50%, bei einem Drittel nur noch 0,33 u.s.f..

Von jeder Einzelfläche liegen nach 4 Untersuchungsjahren vier Artenlisten vor. Es sind damit sechs Vergleiche der Artähnlichkeit jeweils einer Fläche möglich.

 

Die Artenzahlen der Flächen variieren geringfügig. Sie betragen in den Erfassungs-jahren  33, 33, 31, 33 (Fläche 1, Bild 65) 27, 32, 25, 28 (Fläche 2, Bild 66) 22, 22, 25, 31 (Fläche 3, Bild 67). Die mittlere Jaccard-Ähnlichkeit der drei Einzelflächen über die Aufnahmejahre beträgt 0,66.

D.h. durch permanenten Artenwechsel sind die kleinen (Scale!3) Flächen im Mittel nur zu 2/3 selbstähnlich. Sollte ein Wert dieser Größenordnung der üblichen Varia-bilität (Witterung; Ein/Auswanderung) in Grünlanddaten entsprechen (vergleichbar etwa Bakker & al. 2003,  Chytrý & al. 2001 u.a.m.), ist zu fragen, welche Bedeutung (auch statistisch signifikanten) Unterschieden von

  • Artenzahlen
  • Artidentitäten

bei Einfachvergleichen zukommt. Durch Vernachlässigung von Variabilitätsbetracht-ungen im klassifikationsorientierten angewandten Natur- und Umweltschutz und vor allem im Vegetations-Monitoring tut man sich - bei aller gebotener Notwendigkeit zur Vereinfachung - keinen Gefallen. Ohne Kenntnis der Fluktuation in Wiesen, neigt man schnell dazu, Veränderungen zu diagnostizieren, die eigentlich nur kurzfristige Schwankungen auf Grund von Witterungs- & Erfassungsunterschieden sind.

Die Aussagen beziehen sich auf den Scale 10m².3 

Frage 4: Wiesen & Weiden (Kulturformen) klassifizieren?

 

Innerhalb der Fläche Deutschlands bedeckt Grünland fast 4,7 Millionen Hektar (13%). 41 % Wiesen, 54% Weiden sowie 5% Naturschutzgrünland

 

Wiesen

 

Von wenigen Ausnahmen abgesehen, handelt es sich bei Wiesen-Kräutern & Wiesen-Gräsern um sogenannte ausdauernde Oberflächenpflanzen (Hemikryptophyten) mit um den intermediäreren Typ (CSR) liegender CSR-Strategie (Grime 1977), während bei hochgedüngten, produktiv-artenarmen Beständen CR-Strategen, wie Stumpf-
blättriger Ampfer oder Wiesen-Kerbel hinzutreten.

 

  1. Im vom Menschen geprägten Wiesen-Lebensraum, der durch den prägenden, „Hemikryptophyten-fördernden Faktor Mahd“ charakterisiert ist, entfalten die in naturnaher Vegetation wesentlichen Pflanzeneigenschaften/Strategietypen kaum weitreichende Wirkung. Dies liegt daran, dass viele Grünlandpflanzen ihr Potential hinsichtlich Größenentwicklung/Typische Altersmorphologie in be-wirtschaftetem Grünland nicht zur Geltung bringen können (sonst wäre es kein Wirtschaftsgrünland, sondern eine Brache).
     

  2. Anders ausgedrückt, bei im Juni gemähten Wiesen mittlerer Standorte wird dauerhaft eine - für die Arten unfreiwillige - hohe funktionale Redundanz er-zwungen, wonach die hohe Artenzahl, neben der Austauschbarkeit6 der Arten (turnover), im Grunde nur auf dem engen Spektrum unvollständig wirksamer, durchaus fein austarierter morphologisch-physiologischer Anpassungsprozes-se beruht.
     

  3. Der Begriff Prozess impliziert den Faktor Zeit (bestimmt durch Mahdhäufig-keit), innerhalb der die Pflanzen ihre Spielräume, im Falle gleichbleibender Nutzung v.a. in Abhängigkeit der Witterung (Zufall kommt ins Spiel), nutzen.
    Daher sehen Bestände jedes Jahr etwas - ob nach Dürre- oder Nassjahren - anders aus.

 

Vielfalt verringert sich bekanntermaßen innerhalb dieses Systems bei gesteiger-ter Mahdhäufigkeit (Störung) und Düng-ung (Förderung produktiver Arten), wo-bei beides meist zusammenfällt.

 

Ebenso, wie bei Unternutzung (Arten-ausschluss durch Konkurrenz) und star-ker(!) Aushagerung (Artenausschluss durch Stress).

 

Daher gibt es im Artenspektrum außer-halb der gekennzeichneten Arten im Or-dinationsdiagramm (s.o.) bei uns kein artenreiches Grünland.

 

 

Da verbreitete Nutzungsregime (Heuwerbung, Silierung, Mulchung...) auf der gan-zen Fläche definiert und im Unterschied zur Weidenutzung in ihrer Intensitätsbreite und Selektivität viel einfacher eingrenzbar (beschreibbar) sind, lassen sich bestim-mte floristische Vegetations- und Nutzungstypen unterscheiden.

 

 

Weiden

 

(Dauer)Weiden hingegen sind heterogen und über mittlere Eigenschaften kaum fassbar.

Variabilitätsmaße oder die Beta-Diversität (Vergleich der Artenlisten von verschie-denen darauf untersuchten Flächen) sind dafür besser geeignet. Wie definiert man ein Objekt, dass schützenzwert ist, sich aber durch seine vielfältigen Ausprägungen einer einfachen Beschreibung entzieht?

 

Lösen sich Wiesen-Nutzungssysteme auf, oder werden durch episodische Dürren und hinzutretende Arten latent und dauerhaft modifiziert, gelingt es bestehenden Klassi-fikationen zwar noch die Bestände irgendwo einzuordnen, aber nicht unbedingt öko-logisch befriedigend abzubilden.7

 

 

Mähweiden

 

Diese zählen in Grünland-Statistiken zu den Weiden. Abhängig von Tierart und  Be-stoßungsdauer liegt ihre floristische Ausstattung irgendwo zwischen Mähwiesen und Dauerweiden. Es gilt, dass sie ebensowenig mit einfachen Klassifikationen erschöpf-end beschrieben werden können. Faziesbildungen, d.h. Ausprägungen der Grünland-Pflanzengemeinschaft, in denen wenige Arten dominant auftreten und so den Aspekt (oft nur zeitweise) prägen - gehen nahtlos in Bestände über, die floristisch ausgewo-gen anmuten und als übergeordnete Einheiten klassifikatorisch fassbar scheinen.

 

Hier ein Beispiel einer Bewirtschaftungseinheit (Mähweide). Ausgebildet ist eine sog. Typische Glatthaferwiese mit Übergängen zur Salbei-Glatthafer-Wiese, die nicht weniger als 10 (Nr. 8, Zottiger-Klappertopf/Rotschwingel Fazies wird nicht gezeigt) flächenbedeutende Fazies aufweist.

 

Abhängig von der jährlichen Witterung und Bewirtschaftung ändert sich das Erschei-nungsbild eines Grünlandbestandes. Dessen Beschreibung ist ein unerschöpfliches und daher nur begrenzt sinnvolles Betätigungsfeld der Vegetationsökologie.
Vor 100 Jahren (s.o.) war man sich dessen bereits bewusst. Umgekehrt proportional zu dieser Einschränkung verhält sich allerdings das Publikationswesen auf diesem Gebiet.  In weiten Teilen Deutschlands traf der berechtigte EU-weite Schutz arten-
reichen Grünlands auf einen traditionell-beschreibenden Naturschutz und darauf rekurrierende  Verwaltungsorgane. So existieren
 mittlerweile Millionen ähnliche,  mehr oder weniger formalisierte verbale Beschreibungen von Wiesenparzellen und täglich werden es mehr.

 

Die Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, mit aktuell 280 Mitgliedern, ist daher mitnichten Deutschlands größte Vereinigung von Dichtern.

 

Für einzelne Landschaften SW-Deutschlands (hier: Schwäbische Alb) konstatierte Robert Gradmann (1950), dass sog. Fettweiden im Gebiet bisher keine Bedeutung haben. Dies hat sich im letzten dreiviertel Jahrhundert erkennbar geändert. Die im Südwesten dauerhaft von Schafen beweideten Flächen waren praktisch immer re-lativ mager, während Schafe als 'Landschaftspfleger' (was heißt dies hinsichtlich ihrer ökonomischen Bedeutung, bzw. Einbindung in ein Wirtschaftssystem?) heute auch auf fetten Wiesen, was früher tabu war, grasen.

 

Hinweisschilder im Naturschutz überdauern Jahrzehnte - die Vegetation meist weniger lang.

 

 

 

 

 

 

Die 'bewährten' Klassifikationen (Vorstellungen) halten
mit der stetigen Wandlung des Grünlandes durch ver-
änderte Nutzungsformen, vor dem Hintergrund hoher Stickstoffeinträge und Klimawandel, nicht Schritt.

 

 

Frage 5: Welche Bedeutung haben Pflanzen-Zeigerwerte im mittleren Grün-
               land?

 

a) Blütenpflanzen

 

Bei der ökologischen Kennzeichnung eines Lebensraums wird häufig auf Pflanzen-arten hingewiesen, von denen eine enge Beziehung zu Standortfaktoren (Feuchte, Reaktion, Stickstoff...) angenommen (z.B. Pflanzen-Zeigerwerte n. Ellenberg) wird.

Aus der Artenzusammensetzung einer Vegetationsaufnahme können mit Hilfe von Zeigerwerten (Ellenberg & al. 1992) der Pflanzenarten über deren einfache oder gewichtete (Mengenwichtung: hier 1-5) Mittelung sog. Bestandeszeigerwerte be-rechnet werden. Diese geben einigermaßen plausible Hinweise zu den mittleren Standortverhältnissen am Wuchsort.

 

Problematisch sind allerdings Hinweise auf einzelne Arten, die der Einfachheit halber gerne als Beleg für eine aktuelle Standorteinschätzung angeführt werden.

 

Die Bedeutung auch dominanter Arten mit  niederen bzw. hohen Zeigerwerten (s. letzte Grafik) wird in artenreichen Grünlandbeständen "herausgemittelt". In arten-armen Beständen (Fazies) und Dominanzbeständen, wie sie bei Verbrachung ent-stehen, gewinnen sie numerisch an Bedeutung. Im späten Brachestadium (Aufrechte Trespe, Rotschwingel, Weißes Wiesenlabkraut, Raues Veilchen, Wiesen-Sauerampfer) werden die angedeuteten Trends (s.o.) der Bestandeszeigerwerte fortgesetzt (F 4,2; N 3,5, R 7,3), ohne dass sich die Standortbedingungen maßgeblich geändert hätten.

 

 

b) Moose

Zeigerwerte differieren zwischen 3 und 5 Stufen.

In regulär bewirtschaftetem mittleren Grünland finden sich in der Regel wenig (<10) Moosarten. Prägnant trockenes, nasses, silikatisches und kalkreiches Grünland weist eine unterschiedliche Moosflora (Artenzusammensetzung) auf.

 

Die Moosdeckung steht meist in direk-tem Zusammenhang mit der Lückigkeit des Bestandes (Lichtstellung).

 

 

Auf Muschelkalk (= flachgründig) findet man beispielsweise in einer Salbei-Glatt-hafer-Wiese folgende Arten.

 

 

 

Auffällig auch hier (s.o.), individuelle Zeigerwerte, die unterschiedliche Standort-bedingungen hinsichtlich Feuchte und Nährstoffverfügbarkeit (trocken bis feucht; nährstoffarm bis nährstoffreich) kennzeichnen. Für manche erscheint es nun nahe-liegend auf über das Jahr wechselnde Standortverhältnisse (wechseltrocken) zu schließen.

 

Zutreffend?

 

Vielleicht erfüllt ja die Streuauflage, den für das Spießmoos (Cc) erforderlichen Feuchtebedarf (etwa: länger am Wuchsort verbleibende Taufeuchte), während Sei-den- und Thujamoos (Hl, Tp) vielleicht (reliktisch) auf das ehemals bessere Ab-räumen des Mähgutes hindeuten.

 

In diesem Fall hätten Moose mit Standortfaktoren i.e.S. wenig zu tun und ihr spezi-fischer Mikrostandort wäre in erster Linie nutzungsabhängig. Nutzungsweise und daraus resultierender Moos-Mikrostandort sind kaum zu trennen. Umso wichtiger ist es, Standortfaktoren aus Sicht der jeweiligen Artengruppe (räumliche Skalierung!) zu betrachten.

 

Die Beispiele zeigen, wie bedeutend die Bewirtschaftung des Grünlandes im Beispiel die Mahdhäufigkeit, weniger die Düngung - im Hinblick auf die floristische Zusammensetzung ist. Gewissermaßen verblasst im mittleren Grünland die häufig überstrapazierte 'Zeigefunktion' einzelner Pflanzenarten vor dem Nutzungshinter-grund.

 

 

Frage 6: Wie erfolgt die Einschätzung von Naturschutz(FFH)-Grünland?

In Deutschland (Europäische Union) besteht der berechtigte Wunsch artenreiches
Grünland zu schützen. Im einfachsten Fall erfolgt die Erfassung (Bundesländer) im Zusammenhang mit Agrarumweltprogrammen über einfache Kennartenlisten. Hingegen ist bei nach EU geschütztem Grünland (hier: Lebensraum-Typ 6510) die
Abfrage dreier Kriterien zur Ermittlung des sog. Erhaltungszustandes (A, B, C)
bindend. Dies sind: Arteninventar(1), Habitatstruktur(2) und Beeinträchtigung(3).

 

Die Bezeichnung des Lebensraumtyps 6510 wurde in den letzten Dekaden immer wieder verändert; von Mageren Flachland-Mähwiesen → Extensive Mähwiesen der planaren bis submontanen Stufe → Mageres Grünland des Flach- und Hügellandes (besonders artenreiche Ausbildungen).8

 

Die Operationalisierung der Erfassung unterscheidet sich in den jew. Bundesländern.

 

 

Mastiges Intensivgrünland (li oben) - Wiesenbrache schlechter Lichtstellung (re unten). Schaf- & Rinder- weiden und in der Mitte das Naturschutzziel. Artenzahl je 10 m².

So erfolgt die Trennung zwischen Glatt-haferwiesen (Verband Arrhenatherion) und Kammgrasweiden (Cynosurion) un-terschiedlich streng.9

 

 

 

 

Schlüsselkriterium kann die Artenzahl, Artenzusammensetzung oder die Habi-
tatstruktur sein. Daneben definieren manche Bundesländer eine Mindestan-zahl an Lebensraum-typischer Arten, wobei sich die Umfänge zugrundege-legter Artenlisten unterscheiden.

 

 

 

 

 

 

Die naturschutzfachliche Beurteilung des Grünlandes erfolgt außerdem über sog. Magerkeitszeiger (vgl. 5), aber auch in einer erweiterten Form, sog. wertgebenden Arten (Magerkeitszeiger + andere Arten). Mit sorgfältig abgestimmten Listen, lässt sich neben dem Kriterium Artenreichtum weiter differenzieren, was nun erfasst wird. Entfällt 1/3 des Artenbesatzes auf  solche 'wertgebenden Arten' (s. Frage 2) lässt sich die Qualität der zu erfassenden Bestände bereits zufriedenstellend eingrenzen.

 

Als untypisch bzw. negativ (z.B. Stickstoffzeiger; der in Deutschland namensgeben-de Glatthafer gilt in Irland als 'Negativ-Indikator') für den Lebensraumtyp geltende Arten, bestimmen in manchen Bundesländern den Grad der Beeinträchtigung (Kri-
terium 3), in anderen Bundesländern werden solche Arten dem Gesichtspunkt Arteninventar (1) zugeschlagen. Bis zu 50% Deckungsanteil an 'Störzeigern' (z.B. Kanadische Goldrute, Ackerkratzdistel...!) sind bei der Erfassung des LRT 6510 bisweilen noch erlaubt.

 

Zusammengefasst: Unterschiedliche Kriterien führen zu unterschiedlichen Aufnah-
mepraktiken und schmälern daher die Vergleichbarkeit bei der Erfassung dieses Lebensraumtyps in Deutschland. Der Wunsch in floristisch ärmeren Regionen 'ver-gleichsweise' artenreiches Grünland zu schützen, könnte selbstverständlich mit einem bundesweit einheitlichen Aufnahmeschlüssel realisiert werden, wodurch auch die qualitativ-quantitativen Unterschiede transparent würden.

 

 

Das vorangegangene Beispiel zeigt, wie zur Operationalisierung bundesweiter Kar-tieraufgaben nachvollziehbare Beurteilungskriterien aufgestellt werden, die auf recht komplexen, doch keinesfalls einfach zu begründenden Annahmen beruhen.

 

Zur Operationalisierung der Erfassungs- und Beurteilungskriterien finden sich - z.B.  nach BfN (2017) - zusätzlich Festlegungen der Gräser- und Kräuterdeckungen sowie Anteil der Obergräser, also Kriterien, die (jeder Landwirt weiß das besser) nach jähr-licher Witterung und dem ersten, zweiten oder gar dritten Aufwuchs stark variieren. Eine Bundesbehörde, die besser die Konsolidierung des weitschweifenden Föderalis-mus im Auge haben sollte, bringt weitere unscharfe Kriterien ins Spiel.

 

Auch wird versucht, Zeigerarten für den Erhaltungszustand einer Wiese herauszu-arbeiten. Da dieser bis auf wenige Ausnahmen aber immer um die Artendiversität kreist (s.o. Indikatorarten für Phytodiversität), funktioniert auch das.

 

 

 

Artenzahlen von neun (s. Zielscheibe) artenreichen Wiesen, von denen einige über Zusatzkriterien von der Erfassung ausgeschlossen werden können.

Grund für differierende Aufnahme- und Bewertungskriterien, sind zweifellos un-terschiedliche vegetationskundliche Tra-ditionen und fehlende Bereitschaft, diese für das recht überschaubare Deutsch-land zu relativieren, um Monitoring zu harmonisieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Gegensatz zu anderen gesetzlich geschützten Biotopen des Offenlandes, deren Abgrenzung i.d.R. (Feldgehölz, Weiher) unproblematisch ist, müssen im Grünland nach best. Kriterien (s.o.) Erfassungseinheiten gebildet werden. Das Problem dabei ist, dass die Beurteilung - man denke z.B. an Homogenität (ob strukturelle, florist-ische, phänologische ist nicht definiert) - für unterschiedlich große Bewirtschaftungs-einheiten zwischen 500m² und 20.000m² erfolgt.

 

Kann eine Probefläche von 10 Quadratmetern für 0,05 ha Grünland und eben so gut  für 2 ha repräsentativ sein? Wenn auch nicht völlig auszuschließen, so wird dies mit steigender Flächengröße zunehmend unwahrscheinlich. Auch dadurch, weil Kartierer in großen Raumeinheiten wahrscheinlich eher die Struktur, in kleinen, die floristische
Zusammensetzung sehen. Wissenschaftlich werden solche Probleme adressiert, im angewandten (Verwaltungs)Natur- und Umweltschutz werden sie nicht gesehen - schließlich arbeitet man praktisch. Man wünscht sich die Beherzigung der Immanuel Kant zugeschriebenen Aussage, wonach es nichts praktischeres gibt, als eine gute Theorie.  

Eine "streng wissenschaftliche" flächengebundene Vegetationsaufnahme ist nie Ska-
len-invariant.10 Nach der Durchführung einer Vegetationsaufnahme ist der wissen-schaftliche Anspruch aber meist erfüllt; Artenliste, Artmächtigkeit & Erhaltungszu-stand sind gesetzt und werden administrative Realität.


In gleicher Weise wird mit Verlustflächen, die einer Wiederherstellungspflicht unter-liegen, verfahren. Ob sich Behörden mit Millionen von VF, die im Zuge von Sukzes-sion (Gehölze) stehen, beschäftigen sollten, ist zu hinterfragen. Die Menge an Moni-toring-Daten einer Raumeinheit nimmt  'naturgemäß' stetig zu, da Flächen in der Landschaft (Veränderung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse, der Landtech-nik, Agrarförderung und des Marktes) einem laufenden Wandel unterliegen. Witterungs- und Klimaphänomene sind dabei nicht einmal einbezogen.

 

Unter anderem deswegen besteht eine nicht unbegründete Vermutung, dass sich der behördliche Naturschutz - der wichtigste Naturschutz in Deutschland - zunehmend hin zu einer zwar der rechtlichen Sicherung geschuldeten, leider ausufernden und stereotypen Dokumentationspflicht bewegt. Der Schutz der Biodiversität wird dann insofern konterkariert, da für den praktischen Naturschutz dringend benötigte finan-zielle und personelle Ressourcen gebunden werden.

Für Förderprogramme wäre die Erhebung von artenreichem Grünland (Honorierung) ausreichend. Flächengewinne oder -verluste ergeben sich aus der Verschneidung mit dem Zustand davor. Sie sind Spiegel der Agrar-, Energie und Verbraucherpolitik -Politikfelder die die Entwicklungslinien der Landschaft maßgeblich prägen.

 

 

Fazit: Flächen des Lebensraumtyps werden zwar in den einzelnen Bundesländern bilanziert, was aber nun genau erfasst wird, dürfte sich nach Bestand (Repräsenta-
tivität), verfahrensabhängig von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Jedes Bundesland meldet ausschließlich Flächen und Qualität (A, B, C) an den Bund, in gleicher Weise die Länder an die EU.

 

Unabhängig von der unterschiedlichen Aufnahmepraxis, sind bei wiederholten Auf-nahmen, Veränderungen diagnostizierbar. Für die rd. 150.000 ha (>1/3 davon in

Baden-Württemberg) des Lebensraumtyps 6510 in der Bundesrepublik Deutschland, wird ein ungünstig/schlechter Erhaltungszustand angegeben (BfN 2020).

 

1

Wiegleb, G. (1986): Grenzen und Möglichkeiten der Datenanalyse in der Pflanzenökologie.  Tuexenia 6: 365-377. Download als pdf.

2

Falls es so ist, passt es dann zum a) Bedarf und b) heutigen Lehrbetrieb an Universitäten/Hochschulen? 

3

Die Daten wurden weder repräsentativ (geeignete Stratifikation) noch völlig zufällig (randomisiert) er-hoben, die Zahl der Untersuchungseinheiten ist gering und die Resultate nur für die gewählte Flächen-größe gültig.

4

Ein- und Zweifach-Vorkommen. Seltene Arten sind zwar häufig gute Standortzeiger, auf Grund ihrer
Seltenheit werden sie aber für die praktische Bioindikation kaum Bedeutung erlangen. Reduzierter Arten-Datensatz für Zeigerartenanalyse und Ordination n = 99.

Detrended Correspondence Analysis (DCA). Die Verwendung best. Verfahren hat i.d.R. etwas mit per-sönlichen Präferenzen zu tun. Die erkennbaren Datenstrukturen würden auch mit völlig anders arbei-tenden Verfahren, etwa der Nicht-metrischen Multidimensionalen Skalierung (NMS), dieselben sein. Die Achsen selbst werden aus den Artenlisten & Aufnahmenummern über ein Distanzmaß (CHI²) errech-net. Die Achsenlängen (x-Achse: 3,346; y-Achse: 3,128) kennzeichnen eine gute Auftrennung.
Trotz der verschiedenen Aufnahmeregionen erfolgt kein 
vollständiger Artenwechsel.

6

Eine räumliche Verschiebung der Arten i.S.d. Karussell-Modells (van der Maarel & Sykes 1993) findet permanent auf kleinster Skalenebene statt.

7

Wiesen und ihr Artenpool sind kulturelles Erbe. So lange Menschen in ihren Möglichkeiten beschränkt waren, konnte durch ihre sich wandelnde Kulturtätigkeit tatsächlich etwas Besonderes (man kann sich durchaus zu dem Begriff Segensreiches versteigen) entstehen. Noch bevor wir richtig erfassen, wie die artenreichen Wiesen in ihrer standörtlichen Vielfalt entstanden sind, verlieren wir sie.

8

Standort (mager) und Nutzung (extensiv) sind mitnichten gleichbedeutend. Auch verlangt dieser Grünlandtyp eine bis mehrere Nutzungen ('Futterwiesen') und ist daher im Vergleich zu anderen Grünlandtypen nicht mager. Den 'Magerrasen' gibt es ja schon. Der Begriff mittleres (mesophiles) Grünland drückt genau das aus, wodurch auf den Zusatz mager (der offenbar zur Abgrenzung von 'fettem' Intensivgünland eingeführt wurde) verzichtet werden sollte.

9

„Intensivere Beweidung oder Schnitt in kurzen Abständen bewirken eine Artenverarmung und eine gewisse Eintönigkeit der jahreszeitlichen Aspekte. Diese Verarmung ist allerdings mehr quantitativer als qualitativer Natur, so daß die Zusammenfassung der Fettweiden und Parkrasen in einem eigenen Verband Cynosurion den Mähwiesen des Arrhenatherion und Polygono-Trisetion gegenüber floristisch so schwach begründbar ist, daß er von manchen Autoren, wie Braun-Blanquet selbst, nicht akzeptiert wird“ (Müller & Oberdorfer 1983; Süddeutsche Pflanzengesellschaften Teil III).

 

Es scheint, dass auch fehlende/schwache wissenschaftliche Evidenz, wird diese nur gehörig institutiona-lisiert, kaum überbrückbare Gegensätze hervorbringen kann. Dabei möchte man nur standörtlich und regional differenzierte (floristische Kontinuität), arten(blüten)reiche Grünlandbestände für die Zukunft erhalten. Eine Entkopplung der Umwelt- und Naturschutz(verwaltungs)praxis - die sich mit allem herumschlagen (Landwirtschaft, Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft, versch. Gesellschaftsgruppen...) muss, vom eher selbstreferenziellen Wissenschafts-Elfenbeinturm, ist daher sehr naheliegend.


Grund zur Beunruhigung besteht aber nicht, da chatgpt weiß:

Das Monitoring des Lebensraumtyps 6510 erfolgt in Deutschland einheitlich. Der Lebensraumtyp 6510 bezieht sich auf "Magere Flachland-Mähwiesen" gemäß der europäischen FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie). Das Monitoring des Lebensraumtyps 6510 erfolgt gemäß den Vorgaben der FFH-Richtlinie und den nationalen Umsetzungsmaßnahmen in Deutschland. Es gibt einheitliche Standards und Methoden, die von den zuständigen Behörden und Fachleuten angewendet werden, um den Zustand der mageren Flachland-Mähwiesen zu überwachen.

10

Administrative Praxis agiert hier stark losgelöst von einer wissenschaftlichen Vorgehensweise.
Da exzellente Wissenschaft forscht und die administrative Herausforderungen sowie die Niederungen der Umsetzung meist nicht kennt, muss man sich über die Entkopplung nicht wundern. Diese bleibt allerdings, auch angesichts der geringen gesellschaftlichen Bedeutung wissenschaftlicher, gegenüber symbolischer, Ökologie, folgenlos.

 

Die Erfassung und Registrierung nach EU-Recht geschütztem artenreichem Grünland erfolgt mit Hilfe Geografischer Informationssysteme und deren Datenbanken. Sog. Erfassungseinheiten können dabei mehrere Teilflächen umfassen, was die Möglichkeit einer zutreffenden Beschreibung einschränkt.
Die Praxis, mehrere verstreut in der Landschaft liegende Flächen mit einer Kurzbeschreibung zu charak-terisieren, war dem Wunsch geschuldet, viele Flächen nach Einführung der FFH-Richtlinie (1992) zu sichern, Geld und Arbeit zu sparen. Dies hatte durchaus seine Berechtigung. Die Vermutung, dies genü-ge wissenschaftlichen Ansprüchen, kann man äußern - man kann es sich aber auch sparen.

Bei Wiederholungskartierungen (Monitoring) der Erfassungseinheiten werden diese zu sog. Verlust- bzw. Teilverlustflächen, wenn sie die Erfassungskriterien nicht mehr erfüllen. Diese sind nach EU-Recht wie-derherstellungspflichtig, was jede Verwaltung über kurz oder lang überfordert. Ursprünglich wenig kom-plexe Flächen disaggregieren in unterschiedliche Nutzungs- bzw. Sukzessionstypen und müssten spätes-tens dann in Einzelflächen mit eindeutigen Beschreibungen zerschlagen werden. Jede weitere  Kartier-kampagne erzeugt wiederum neue Raum- und Textdatensätze, mit zunehmend höherer Wahrschein-lichkeit (unzulässiger) Flächenüberlagerung und kaum fassbarer kettenförmiger Beschreibungen, da im-mer mehr Vorannahmen zu berücksichtigen sind. Ein System, das zur Implosion neigt und auch durch KI nicht zu retten ist.

 

Föderalismusstrukturen, die über Art- und Weise der Wissenschaftlichkeit befinden, sind definitiv das Letzte was Natur- und Umweltschutz brauchen. Die Lösung des Problems wäre die bundesweite Konso-lidierung der Erfassungskriterien. 

Wie im Anschluss die Beurteilung und Bewertung robuster und vergleichbarer Ergebnisse für die Region-en Deutschlands und eine daraus abgeleitete Honorierung landschaftsökologischer Leistungen erfolgen soll, steht auf einem völlig anderen Blatt. Besser die einzelnen Bundesländer konkurrierten über die Art- und Weise der Erhaltung ihrer blühenden Landschaften und nicht darin, inkompatible Praktiken bei der Grünland-Erfassung aufzustellen und womöglich sogar gegeneinander zu verteidigen (auch wenn die Ursache teils auf Persönlichkeitskult und daraus erwachsener territorial-wissenschaftlicher Kleinstaaterei beruhen).

 

Eine der zweifellos verständlichsten Zusammenfassungen über das Grünland in SW-Deutschland von Gottfried Briemle & Mitarbeiter (2004) ist im kostenlosen Download erhältlich.

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