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Moose

Moose und Artendiversität

Ontario-Rosenmoos (Rhodobryum ontariense)

Moose sicher und einfach bestimmen

(Buchtitel). Schön, wenn das so wäre!

 

Was einer Expertin mit jahrzehntelanger
Erfahrung selbstverständlich erscheint, stellt sich Anfängern und selbst weiter Fortgeschrittenen oft ganz anders dar.

 

 

 

 

Hinweise zu Schwierigkeiten, die  Ex-perten in ihrer eigenen Startphase zwei-fellos ebenfalls hatten, vermisst man in den vielen Narrativen schmerzlich.

 

 

Leider ist die Bestimmung von Moosen schwierig und zeitraubend, weil nicht jedes Moos so einzigartig wie etwa das Ontario-Rosenmoos ist. Auch macht es einen Un-terschied, ob bei einer Sammelexkursion gut ausgebildete Moose angesprochen werden, oder ein Lebensraum vollständig charakterisiert werden soll und winzige und untypische Exemplare bestimmt werden müssen.

 

Hinzu kommt, dass Bestimmungsliteratur kaum ohne eine erste praktische Anlei-tung genutzt werden kann und nicht ohne Grund ist die Taxonomie der Moose im Fluss. Wichtig ist, dass man sich systematisch-sukzessive einen Überblick verschafft.

D.h. entweder Arten bestimmen, die man täglich zu Gesicht bekommt, oder man widmet sich einem interessanten Lebensraum und erarbeitet sich das dort vorkom-mende Artenspektrum.

 

Die ab und an einsetzende Frustration (z.B. die Unterscheidung dreier häufiger Brachythecium-Arten) wird aber hoffentlich über zunehmende Faszination und das Wissen-Wollen mehr als kompensiert.

 

Lästiges Rasenmoos, oder fünf verschiedene Arten?

 

Mit einem Feldschlüssel (BBS, British Bryological Society) und guten Abbildun-gen, sollten die ersten Schritte gelingen.

 

Zusätzliche Informationen erhält man bei der BLAM (Bryologisch-lichenologi-sche Arbeitsgemeinschaft für Mitteleu-
ropa e.V.).

 

Bei Studierenden biowissenschaftlicher Fächer an Hochschulen und Universitä-ten ruft der Vorschlag sich mit Moosen, Flechten und Algen zu beschäftigen, meist nur noch ungläubiges Erstaunen hervor.

 

 

Kaum mehr erfahren sie während ihres Studiums die Faszination des Erkundens mikroskopischer Welten mit Binokular und Mikroskop. Dies liegt nicht  daran, dass
es an entsprechenden Lehreinrichtungen an Binokularen und Mikroskopen (Überall stehen die Symbole der Wissenschaft angestaubt herum) mangelt, sondern an feh-lender motivierender Anregung und kaum existentem Kursangebot.

 

Der Tiefpunkt der Vermittlung taxonomischer Kenntnisse wurde innerhalb der UN-Dekade der Biodiversität 2011-2020 erreicht (Artenkennerinnen). Wie soll Arten-vielfalt als Wert erachtet, geschützt oder wenigstens toleriert (Gepflegte Mau-ern) werden, wenn sie kaum mehr wahrgenommen wird? Seit etwa 2020 haben viele vegetationsökologisch arbeitende Institute nachgebessert und bieten Moos-kurse an.

 

Die nachfolgenden Bildergalerien zeigen eine Auswahl meist häufiger Arten in ihren Lebensräumen. Tatsächlich ist die Standortbindung der meisten Arten weniger eng, als die hier getroffene Einordnung nach ihrem Vorkommen nahelegt.

 

Moose an Mauern und auf wenig begangenen (Stein)Gehwegen

Stein- & Erd-Standorte (auch humos)

Moose des Waldbodens (stärker humos)

Moose auf Baum-Rinde/Borke/Basis

Moose auf Totholz

Moose (u.a.) im extensiveren Grünland

Moose an Ruderalstellen, Erd- und Bachböschungen

Mooswände und die Bioökonomie

 

1. Feinstaubbekämpfung

 

Die Aufstellung von Mooswänden  zur Bindung von Feinstaub in Stuttgart und anderen Städten zeigt, wie sich das im gepflegten Golfrasen und Garagendach ungeliebte Grünzeug schnell zum medialen Hoffnungsträger wandeln kann.

 

 

Bei Berücksichtigung der

 

  • Biologie der Moose,

  • Dimension der Mooswände

  • Grenzschichtphänomene

  • sowie des Versuchsdesigns

  •  

geraten solche Maßnahmen freilich zu Verzweiflungstaten nach dem Motto „wenn keine Technik mehr hilft, hilft uns vielleicht wieder die Natur“.

 

 

 

Nach 400 Millionen Jahren erfolgloser Bemühungen, so zu werden wie die Bäume, d.h. mit einem ordentlichen Stamm und Wasserversorgung bis in die obersten Blät-

ter, ist Moosen dies nun in kürzester Zeit durch Koevolution mit Politikern, Stadtver-waltungen, Wissenschaftlern und mittelständischen Unternehmen gelungen. Sie be-sitzen heute Beton- bzw. Edelstahlfundamente sowie eine digital gesteuerte Wasser-versorgung.

 

Chronologie von sechs Jahren zukunftsweisender biologischer Filtertechnik1.

Stuttgart und Amsterdam - ein Vergleich.

Lösen Moose Feinstaub-Probleme in Städten? Detaillierte Informationen.

 

Im Grunde ist es aber beruhigend, dass auch 2023/24 noch viele Kommunen, ob nun in Baden-Württemberg (Calw) oder Nordrhein-Westfalen (Velbert, Heiligenhaus
u.a.m., über genug Finanzmittel für - bis auf weiteres Citybreeze oder Wallbreeze genannte - Frischluftwunder verfügen.

2. Natur-Design-Konsum. Die Glücksformel

 

„Moos haben“ bedeutete umgangssprachlich schon immer „Geld haben“. Es lässt sich damit auch gut Geld verdienen. Etwa mit dem Gemeinen Weißmoos an deko-rativen Mooswänden im Büro, in Restaurants und der schicken Boutique.

 

 

Als Dekorationsartikel überleben die Polster kaum einen Monat, wenn sie nicht ohnehin totimprägniert wurden.

 

Große Exemplare, wie die hier gezeig-ten, sind mehrere Jahrzehnte alt und wegen ihres langsamen Wachstums nur schwer dauerhaft zu kultivieren.

 

Und schon gar nicht ausgetrocknet in lichtarmen Restaurants.

 

 

Sie heißen eben nicht Grünalge oder Silomais, auch wenn heute Wissenschaftler von Turbo-Torfmosen (zur Rettung des Weltklimas) und Moosfassaden (zur Bewahrung der Städte vor dem Hitzekollaps) träumen. Im Grunde tangiert Moose Ingenieurs-kunst, Prozess-Steuerung und der Wunsch, ihnen Massenzuwachs beizubringen wenig2. Und das ist auch gut so.

 

Echtes totes Moos und Plastikfarn. Sehr cool!

Förderinstitutionen sehen wohl in erster Linie die Erlöse von € 600-800 je Quad-ratmeter Mooswand und Kunden hoffen auf auf ein Stückchen Natur im Alltag und ein endlich besseres Büroklima.

 

Dass die Moosgattung Leucobryum (Weißmoos) in Deutschland wegen zunehmender Seltenheit (Bundesnaturschutzgesetz, EU-FFH Anhang V und Bundesartenschutzver-ordnung) nicht entnommen werden darf, können Designer, Floristen, Büroausstatter, Startups, Patentanmelder, Förder- und Finanzinstitutionen und selbst Museumsbe-treiber (Stadtpalais - Museum für Stuttgart; Ausstellung Feingestaubt; auf Ausstel-lungs-Flyer eine Weißmoos-Filtermatte) nicht wissen.

 

Es sagt ihnen aber auch niemand.

 

Der Tradition verpflichtete Ladenhüter.

Nach FFH-Bericht (2019) ist der Erhal-tungszustand der Art in Deutschland unzureichend.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Da mag es beruhigen, dass zwar in Deutschland und den Alpen fleißig gesammelt wird, die meisten hier verwendeten und entsorgten Exemplare aber aus Osteuropa stammen.3

 

 

Vegetationskundler sind selbstredend weiter dazu angehalten das Weißmoos, etwa im Zusammenhang mit der Eingriffsregelung, im Gelände als geschützte und wert-gebende Art zu kartieren, während es massenhaft in hippen Büros - eine Naturtro-phäe (früher hing dort ein Geweih aus demselben gefühligen Grund) - vertrocknet.

 

Alternativ besser Moss-GraffitisNatur-Aneignung mit dem Küchenmixer.

Coccomyxa und Moose

 

Coccomyxa cf. confluens ist eine Grünalge (Chlorophyta). Sie bildet Kolonien unbeweglicher Zellen, die in Gallerte eingeschlossen sind. Einzelne Vertreter dieser Algen-gattung leben terrestrisch bzw. aerophytisch auf Baumrinden, Steinoberflächen und Moosen. Manche gehen als Algenpartner Flechtensymbiosen ein.

 

 

 

 

 

 

 

 

Gallerten in Moosen, wurden schon öfter beschrieben. Sie beherbergen zahlreiche Protozoen, Pilzhyphen, Moosprotonema und bisweilen auch andere Algen.

 

Allerdings fielen in den letzten Jahren diese Gallerten immer häufiger auf. Da Grün-
algen selbst keinen Luftstickstoff fixieren, wird vermutet, dass die hohen Stickstoff-Einträge in Waldbestände zumindest teilweise für dieses Phänomen verantwortlich sind. Welchen Einfluss dies für die Zersetzer-Gemeinschaften und die Artendiver-sität, vor allem der konkurrenzschwachen Totholzmoose hat, ist unklar.

 

Randbemerkung

Im Gegensatz zu Moosen ist dies ein Organismus, der für Ingenieure und Biotechno-logen gut handhabbar ist. Inwieweit mit Algenfassaden in Städten aber die Zukunft zu gewinnen sein wird, sollte an funktionierender grüner Architektur gezeigt werden. Wie für lebende Mooswände gilt auch für Mikroorganismen-Gemeinschaften, dass sie kaum steril und damit auf Dauer kontrolliert technisch genutzt werden können.


Kein Wunder, es sind lebendige und adaptive Systeme.

Das Zitat entstammt dem veröffentlichten Protokoll des Technischen Ausschusses der Stadt Stuttgart. 2018: Ein CityTree erbringt nach Herstellerangaben der Green City Solutions GmbH die Umweltleistung von bis zu 275 Stadt-Bäumen.
2021: Citytrees werden erneut als Option im Bürgerhaushalt genannt.
Anm.: Die von Ökologen oft geschmähten städtischen Scherrasen weisen vergleichsweise günstige
Bedingungen für die Sedimentation 
(Horizontalflächen hoher Rauigkeit) von Feinstaub auf, der in ohnehin belasteten Stadtböden dauerhaft gebunden wird.

2

Wenn man etwas von Moosen lernen kann, so ist es, dass Langsamkeit, Beharrlichkeit und Widerstands-fähigkeit ein evolutionäres Erfolgsrezept sein kann, was so gar nicht zur Verwertungs-Philosophie und Bioökonomie passt.

Es ist nicht einmal nötig, wissenschaftliche Veröffentlichungen zu lesen. Moose leben in einer oberflächennahen Grenzschicht (mm, cm), die mit der Atmosphäre, wie wir sie wahrnehmen, nichts zu tun hat. Die "Wirkungen" der Moose beschränken sich auf die Stabili-sierung ihres eigenen Mikro-Lebensraums.

Sie tragen nicht maßgeblich zur Verbesserung unseres Atmungs-Um-feldes in 1,70 Meter Höhe bei. Erst recht dann nicht, löst man die Grenzschicht auf, indem man mit Ventilatoren Luft durch ihre Polster bläst.

 

Die Natur- und Kulturgeschichte (Das Sammeln von Moosen) erlaubt mooskundlichen Laien - die im-merhin in Bundesministerien und Vergabegremien der Europäischen Union die Bewilligung öffentlicher Gelder in Millionenhöhe verantworten - sich selbst ein Bild zu machen.

Eine mögliche Lösung: Solange in Deutschland (und anderen europäischen Ländern) Kahlschläge von Wäldern akzeptiert werden, könnte man dort zuvor auch größere Mengen Moose entnehmen, da diese nach dem Eingriff ohnehin flächig absterben. Dadurch wären Moose nicht mehr das „letzte freie Gut“, dass zu kommerziellen Zwecken - einfach so - geplündert werden kann. So verständlich es ist, dass nicht jeder dem Wald Holz entnimmt, oder einem Moor Torf, so unverständlich, dass dies für andere Waldprodukte wie den Moosen nicht gilt. Privatpersonen, Waldkindergartengruppen und Moss-Graffiti-Produzenten fallen dabei vermutlich weniger ins Gewicht.

 

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