Unter dem Druck des Klimawandels be-steht in Baden-Württemberg seit Jahr-zehnten die Forderung, dass Forstwirt-schaft, Holzindustrie und Naturschutz zu einem echten Dialog gelangen sollten (z.B. Reif 2010).
Während der „Neophytenzug“ in Städt-en längst abgefahren ist (Bäume in Stuttgart), wurde für Baden-Württem-bergische Wälder die Entscheidung, welcher Mischungsanteil fremdländi-scher Arten toleriert werden kann, 2020 gesetzlich verankert und steht in der Phase der flächigen Umsetzung.
Es gilt: Der Bedarf der deutschen Wirtschaft an Douglasienholz kann heute nicht gedeckt werden. Der Motor für die Diskussion - heute & morgen - zwischen Holz-industrie, Naturschutz und Gesellschaft ist damit verortet.
Im Grunde kann eine aufgeschlossene Forstwirtschaft die mediale Verzwergung der Diskussion auf Forstwirtschaft/Holzindustie hier - Wohlleben da, nicht gutheisen.
Auch findet das eine im Wald statt und das andere eher im Fernsehen und Einfluss-bereich der mehr oder weniger gut sortierten Buchhandlungen größerer Städte.
Daher ist nicht falsch, in der vertrauten näheren Umgebung Einzelfälle anzusehen und sich einen persönlichen Standpunkt zu erarbeiten. Auch könnte man sich, sofern einem dieses Thema wirklich am Herzen liegt, mit der lokalen Forstamtsleiterin - für beide Seiten gewinnbringend - unterhalten. (Die Standpunkte neuester Pressemel-dungen und Orakel irgendeines Wurzelsepps lässt man für ein solches Gespräch zu-hause; ganz analog die Vorgehensweise bei Gesprächen mit Landwirten).
Der zentraleuropäische Bücherwald
Angenommen, man möchte sich über die natürliche Waldvegetation Deutschlands
- „den Wald“ gibt es nämlich nicht – informieren, so hat man dazu mit dem üblichen Angebot der großen städtischen Buchhandlungen keine Chance.
Jedes der gezeigten 14 Bücher (obere Reihe) unterhält und kann einzelne Sachver-halte vertiefen. Es sind in erster Linie Projekt-Bücher. Bücher mit interessanten Ge-schichten, die aber keinen Überblick geben. Die Autoren wohlwissend, dass solche Literatur in Fachbibliotheken steht. Herumsteht! Verkaufen - nein.
Überblick zu haben, gleicht einem Weihnachtsbaum, den man mit Detail-Informatio-nen (Glaskugeln, Gebäck, Lametta…) schmückt. Dreidimensional gegliedert, weil nur so klar wird, wie Abhängigkeiten in Wäldern strukturiert sind und v.a., was mehr und was weniger Bedeutung hat.
Achtung: In der Natur steht zwar alles irgendwie miteinander in Verbindung, es ist aber nicht alles gleich wichtig.
Die meisten Bücher versuchen der Leserin durch ausgewählte Fallbeispiele wieder das Staunen zu lehren, was im durch Technik & Wirtschaft geprägten Anthropozän not tut. Ein paar gehen darüber hinaus und plaudern mehr über Befindlichkeiten und Seelenleben, als über den Wald. In wieder anderen werden detailliert die Waldlebe-wesen gezeigt.
So ist zwar eine Annäherung möglich, aber der Überblick, also „Wälder vor lauter Bäumen oder anderen Lebewesen sehen“, bleibt aus. Eine fortgeschrittene Internet-recherche, besser aber eine Fachbibliothek (Stichworte: Vegetation, Pflanzengemein-schaft, Standortkunde, Biotoptyp) schließt die Lücke.
Es sind Regeln eines Büchermarktes (nicht 'der Medien') die die begründete Umwelt-
Betroffenheit aufgreift, dann aber leider zur Verirrung und Verzettelung im zuneh-mend geheimnisvoller werdenden Deutschen Wald führen. Daneben zielt das über-wältigende Marketing - etwa von 'nachhaltig produzierten Douglasien-Dielen' - auf beruhigte Kunden, daneben selbsttherapeutisch auf Forst- und Sägewerksbesitzer.
Was man als Vegetationskundiger in der Landschaft sieht, ist das eine, wie weit man mit den liebgewonnenen Bildern im Kopf umgeht, das andere. Würden in Zukunft wenigstens internationale Filmproduzenten (Gladiator, Game of Thrones, Vikings, Harry Potter, Maximilian) die antiken und mittelalterlichen Waldszenen nicht immer in Fichten- bzw. Douglasien-Altersklassen-Forsten drehen, wäre schon etwas gewon-nen.
Die gab es in der angedachten Zeit nie und im damals wie heute existenten borealen Nadelwald war es um filmreife Kultur schlecht bestellt. Für Naturszenen ist offenbar nur relevant, ob ein Wäldchen in der Nähe ist, durch das Kameratrupps leicht durch-manövrieren konnten.
Wie lax Filmschaffende (Medien allgemein) mit dem Thema Vegetation umgehen muss hier (die gesamte website ist voll von Beispielen) nicht vertieft werden. Obschon
umfragegemäß die Natur - insbesondere der Wald - für viele Deutsche so wichtig ist, sind die durch wechselseitige Ignoranz (nicht Bösartigkeit) entstandenen schrägen Bilder im Kopf oft prägend.
Angesichts des immensen Aufwandes, den in-
ternationale Filmproduktionen auf die Reproduktion zeittypischer Gebrauchsgegen-
stände legen, sollte man die cinematische Beliebigkeit des Umgangs mit Wäldern weiter aufmerksam verfolgen.
Wie soll Medienkompetenz im Klassenzimmer solchen Komplexen begegnen? Zwar würden geschätzt, drei fachkundige Geländeexkursionen genügen, nur sind diese
heute keiner Schülerin mehr zuzumuten. Man denke an Zecken- und sonstige Ver-letzungsgefahren im Wald.
Schulische Medienkompetenz Teil 3: Wie erkenne ich laufend unbedacht produzierte - auf Desinteresse von Medienschaffenden, Mulktiplikatoren und Gesellschaft zurück-führbare -
Fake-News.
Douglasienanbau in Baden-Württemberg
Bestand 1: Die nordamerikanische Douglasie (Pseudotsuga menziesii) erschafft auf geeigneten Standorten in Baden-Württemberg Waldbilder, denen sich selbst Natur-schutz-Bewegte kaum entziehen können. Solche Stämme machen Försterinnen und Holzindustrie glücklich. Der Massenertrag der Douglasie ist unter entsprechenden Bedingungen bis zu 50% höher als bei der Fichte.
Daneben findet man aber auch ganz andere Douglasien-Bestände.
Bestand 2:
Zwei Neophyten - Douglasie und Kleinblütiges Springkraut – Pflanzendiversität im Wald fast null. Das liegt nicht am Kleinblütigen Springkraut - Neophyten suchen und finden nur die waldbaulichen Fehler. Die Tatsache, dass negative Auswirkungen von Douglasienanbau auf die Artendiversität (Fauna-& Flora) mit der von Fichte
- an die hat man sich gewöhnt - gleichzusetzen ist, entkräftet oder bekräftigt gar nichts, da die heimische Fichte bis auf einige Sonderstandorte (natürliche Vorkommen), ohne gezielte Aufforstung in
Baden-Württemberg, niemals die heutige Flächendominanz erreicht hätte.
Bestand 3:
Douglasien-Pflanzungen auf der Schwäbischen Alb. Hier war die Fichte (im Hinter-grund) bereits nicht standortsgemäß und ebenso wenig ist es die neu eingebrachte Douglasie. Trotz Kenntnis der Anfälligkeit der Art gegenüber Kalk im Oberboden. Eisenmangel-Douglasien neben Naturverjüngung der Buche.
Die Douglasie wird nach der schwarzen Liste des Bundesamtes für Naturschutz als invasiv, vom Forst dagegen als nicht-invasive „bewährte Gastbaumart“ eingeschätzt. Einundzwanzig Forstwissenschaftler (DVFFA) wenden sich daraufhin mit einem offe-nen Brief an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) um ihm fehlende Wissenschaft-lichkeit vorzuwerfen. Solche Diskrepanzen - Medien und Öffentlichkeit dürfen ihren Meinungshorizont erweitern - sollte sich Wissenschaft1 nicht leisten, sofern sie noch zwischen Parteinahme, rein-sinnfreier 'Innovation' und echtem Fortschritt - dazu gehören Nachhaltigkeit & Biodiversitätsschutz - unterscheiden mag.
Worum sollte die Diskussion also gehen? Nicht so sehr darum, ob die in weiten Tei-len Baden-Württembergs standortsfremde Fichte (33% Flächenanteil) nicht teilweise
durch die ebenso standortsfremde und daneben nicht-heimische Douglasie (3% Flä-chenanteil) ersetzt werden könnte, eher, wie Forstwirtschaft den schon vor 300 Jahr-
en nicht nur von ihr geprägten, sondern stolz verbreiteten Nachhaltigkeitsanspruch kommuniziert und konkret (s.o.) umsetzt.
Für den Naturschutz hingegen gilt, dass er oft das einzige Korrektiv gegen hemds-ärmelige Macher-Annahmen darstellt, seine Einwände im Falle komplexer Sachver-halte - auch auf Grund jahrzehntelanger Marginalisierung - bisweilen widerlegbar sind. Dann gibt es noch die starke Emotionalisierung/Vermenschlichung des Themas Wald - sie mag für viele haarsträubend sein, kommt aber nicht von ungefähr.
Man kann ökologische Sachverhalte durchaus als Herzensangelegenheit begreifen.
Zweifellos eine wichtige ökologisch-land-schaftsprägende Frage, wie der hohe Fichtenanteil zukünftig „abgeschmolzen“ werden soll. Mit alternativlos, sollte sich niemand zufrieden geben.
Zu viele „Einzelfälle“ bei denen neophytische Gehölze großflächig Waldökosysteme in Baden-Württemberg mittlerweile devastieren (Spätblühende Traubenkirsche: früher Innovation - heute lästiges Unterholz; wie konnte das eigentlich passieren?2) geben bei verstärkter Einbringung fremdländischer Gehölze wenig Anlass3, auf einen kon-trollierten und in ökologischer Hinsicht befriedigenden Waldumbau unter dem Druck des Klimawandels zu hoffen.
1
Wissenschaft wird von jeweiligen Interessensgruppen heute nicht selten wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Ein reines Schaugerät, dass
man auch als Keule benutzen kann. Ökologische Fragen betreffen immer ökonomische und gesellschaftliche. Eine Kunst, wissenschaftliche Erkenntnisse in gesellschaftlich-verantwortungsvolle
Entscheidungen - die wissenschaftliche Erkennntnisse keineswegs mehr 100% abbilden müssen/können - zu überführen.
Etwas Biopolemik...
Evolutionsbiologisch haben Bedecksamer der kleinen Gruppe der Nacktsamer schon vor geraumer Zeit
den Rang abgelaufen. Nacktsamer zu denen alle Nadelgehölze zählen, dominieren aus diesem Grunde schwerpunktmäßig die klimatisch ungünstige (kalte) boreale Zone. Ihre anthropogene Verbreitung an
wuchsgünstigen Standorten des temperaten Laubwaldes (= Deutschland), könnte man, etwas missgün-stig, als durch Forstwirtschaft, Holzindustrie und unsere Ansprüche herbeigeführten Rückschritt der
Evolution betrachten.
Um was es tatsächlich gehen sollte (Dialog):
„Ich fände es ehrlicher, aktuelle Defizite und rückblickend als fehlerhaft zu bewertende Entwicklungen auch als solche zu benennen. Dies
erscheint mir allemal besser, als sie sich von anderen vorhalten lassen zu müssen“ (C. Ammer; Forstpraxis).
Ob wir in Fake ertrinken berührt eher die Bildungssituation/Lust selbst zu denken, als solche Kuriosi-täten wie (Forst!)Wissenschaftler, Wohlleben und Waldzausel. Diese stehen lediglich für bestimmte
Positionen, zwischen denen man sich verorten muss. Informierte scharen sich nicht um Meinungsführer.
2
Man pflanzt, schaut zu und die nächste bzw. übernächste Forstamtsleitergeneration erkennt plötzlich, dass der Eintritt in die exponentielle Ausbreitungsphase verpasst wurde, und man die Art nicht mehr im Griff hat (etwaige Ähnlichkeiten mit der Ausbreitung von COVID-19 sind nicht zufällig, sondern entspre-chende Fehleinschätzungen erfolgten in jüngster Vergangenheit durch experimentierfreudige Berufs-gruppen - Försterinnen, Imker, Landschaftsgärtner...etc. - geradezu systematisch). Wäre dem nicht so, und nur die Ausbringung fremdländischer Pflanzen- und Tierarten durch Privatpersonen wäre relevant, gäbe es solche massiven Probleme nicht.
Als ob man nicht wüsste, welche Gehölze in
Baden-Württemberg völlig unkritisch gepflanzt (falls pflan-zen überhaupt nötig ist) werden können. Sollten heute noch Straßen- oder Wasserbauverwaltungen auf das Sonderangebot einer Baumschule
hinsichtlich einer leicht zu vermehrenden Gehölzart schielen, ist das kein Kavaliersdelikt mehr.
3
Natürlich ist diese Darstellung in keiner Hinsicht erschöpfend, oder objektiv. Wenn die Baden-Württem-bergische Landesregierung (hier Fraktion Grüne; CDU, SPD FDP, AfD...) und wissenschaftliche Politik-beratung aber bereits zu folgender Haltung gelangt ist „Bei Neupflanzungen nicht-heimischer Baumar-ten müssen wir umsichtig vorgehen. Die Deckelung auf einen Anteil von maximal 25 Prozent ist wichtig, weil zunächst die Auswirkungen neuer Baumarten auf das Ökosystem beobachtet werden müssen und es gilt, Monokulturen zu vermeiden“, befinden wir uns im Stadium „hoffen und beten“.