Wasserweg durch die Mitte Baden-Württembergs
Er ist Gegenstand unzähliger naturwissenschaftlicher und kultureller Betrachtungen. Entlang des gesamten Neckars ist man mit Zug oder dem Kfz wenige Stunden un-terwegs. Als kontrastreicher Flussradweg ist der Neckar in weniger als acht gemütli-chen Etappen erfahrbar, der Neckarmarathon erfordert wenigstens sieben Tage. Schwimmend sollte man mindestens 14 Tage veranschlagen...:-)
In diesem Beitrag ist nicht von seinen lauschigen Anfängen im Schwenninger Moos, den poetischen Ufern Tübingens, köstlichen Weinen und Burgenromantik die Rede.
Hunderte Bildbände, Bilder im www, oder Filmbeiträge des SWR sehen in dieser Form der Neckar-Präsentation ihre vordringliche Aufgabe.
Wenn sein Wasser Stauwehre passiert, wird er zum „wilden Gesellen“, bei Dauerregen zum „richtigen Wildbach“.
Fast „dschungelartige Wälder“ werden gesichtet und zwischen Pleidelsheim und Freiberg bietet auch ein „Kanal eine schöne Flusslandschaft“.
Wahrscheinlich ist es so: Je weiter man sich vom eigentlichen Objekt entfernt, umso idealistischer die Bilder. Auch der Wunsch nach Identifikation mag dabei eine Rolle spielen. Was hat dagegen ein Neckar aus naturwissenschaftlicher Per-spektive zu bieten?
So entstehen Wohlfühl-Bilder und eine Neckarkulisse für etwas tief empfunde-nes -oft längst verlorenes. Die Proble-matik des Lebensraumes für Tier und Mensch wird dabei nicht tangiert.
Gewässerbelastung ist zurecht Domäne der Wasserwirtschafts- bzw. Umweltbehör-den. Dargestellt wird sie meist in Form bunter Grafiken und nie wird versäumt, auf eine positive Trendentwicklung hinzuweisen. Wenn Neckarfisch, dann meist Portrait-aufnahmen aus dem Aquarium. Diese Form der positiv-ansprechenden Vermittlung (= Öffentlichkeitsarbeit) sind üblich und inhaltlich nicht falsch.
Aber: Wenig Vorzeigbares/Unzulässiges/Schwerverständliches lässt man weg. Ein Niveau, dass eine kritische Auseinandersetzung befördert (s.o.), wird nie erreicht - und soll es wohl auch nicht. Dies reicht bis in den Landtag BW. Die Beantwortung der Fragen von Abgeordneten (sog. Kleine bzw. Große Anfragen) dürften Goldstan-dard hinsichtlich der Informationsqualität sein. Ob den Anfragenden die Ökologie des Neckars, nach Beantwortung zahlreicher Detail-Fragen klarer vor Augen steht, müs-sen sie natürlich selbst beurteilen.1
Einfach zu messende Variablen wie Temperatur und Sauerstoffgehalt des Wassers sind mit einem Mausklick bei Landesbehörden online verfügbar. Sie sind nicht un-wichtig,
nur sind solche Parameter im Tagesgang extrem variabel und daher nur begrenzt aussagefähig. Es schadet nicht, wenn sie aktuell & unkommentiert mitge-teilt werden, nur vermitteln sie etwa soviel,
wie eine stündliche Online-Messung
der Lufttemperatur über den Klimawandel.
Für aussagekräftige Darstellungen, etwa des Tonnagerückgangs, die kaum verbes-serungsfähige biologische Gewässergüte, oder die Wärmelast des Neckars, investiert
man vergleichsweise wenig Mühe. Informationen, die das Überdenken lohnen.
Warum aber zum Kern des Zustandes des Neckars vordringen, wo es doch genügt, mit tagesaktuellen Aktivitäten, Aufmerksamkeit zu binden.
„I am going to Heidelberg on a raft. Will you venture with me? Their faces paled a little, but they assented with as good a grace as they could“
Mark Twain (1880)2
Im Sinne Mark Twains, der seine Kumpane zu einer Floßfahrt auf den Neckar bittet, möchte dies Limnoterra mit der Befahrung über 300 Kilometer tun. Ein Vergnügen ist eine solche Fahrt mit einem Faltboot - hölzerne Innenkonstruktion und dünne Bootshaut - angesichts von 34 Wehren und 27 Schleusen sowie blockreicher Renatu-rierungsabschnitte nicht. Vielmehr eine Schinderei (Type II Fun).
Der Gewässerführer des Deutschen Kanuverbandes (DKV) rät von der Befahrung des Oberen Neckars ab Tübingen ganz ab. So verwundert es nicht, dass während der Wanderfahrt erst am 4. Tag die ersten Plastikkajaks (Stocherkähne und Tretboote zählen nicht) im Esslinger Feierabendbetrieb gesichtet wurden.
Faltboot und Neckar haben Tradition.
Die Faltbootwerft Germania wurde 1925 in
Neckarzimmern gegründet, die bis in die 70er Jahre verschiedene Faltboot-Typen fertigte. Auch die A. Marquardt KG (Heilbronn) stellte Faltboote her.
Noch vor 100 Jahren dachte jeder an ein Faltboot, wenn von Kajak oder Paddelboot die Rede war. Historische Bilder zeigen Treffen von hunderten Faltboot-Besitzern am Neckarufer.3
Etappe 1
Wie lange der Neckar war und ist, weiß zwar das Internet, aber im Grunde niemand so richtig. Es werden Längen zwischen 362 und 367 Kilometern mitgeteilt. Die kür-zeste (Kanal)strecke dürfte sogar unter 362 km betragen. Ohne fürsorgliche Besch-neidungen wäre der Neckar über 400 km lang.
Bereits die obersten Kilometer Neckar sind (hinter)fragwürdig, denn zweifellos ist die Eschach der längere Quellarm (380 km) und nicht das Schwenninger Quellbächlein.
Hinsichtlich der Neckarquelle gilt, dass dort, wo die Hinweisschilder Neckarur-sprung stehen (Position 1 & 2), er ziem-lich sicher nicht ist.
Nahe der Quellregion, das erste Industriegebiet und ein Nachtclub. Drei Protagonis-ten im Stück "The Länd". Falls es Zeitungsredakteure geben sollte, die in Schwen-ningen noch einen sauberen und in Stuttgart dreckigen Neckar vermuten, wird ein Realitätstrip mit offenen Scheuklappen und Nasenflügeln empfohlen.
Etappe 2
Zweifellos einer der landschaftlich schönsten Neckarabschnitte. Nicht zu übersehen, dass der Neckar bereits bei der Trinkwassergewinnungsanlage Neckarburg in Folge massenhafter Entwicklung der benthischen Grünalge Cladophora glomerata - infolge zu hoher Nährstoffbelastung - ein grünes Flussbett besitzt. Sein Wasser ist nicht trinkbar.
Etappe 3
Es geht los. Mit der Kleinen Vik, einem älteren Pouch CR12 Testboot, und zwei klei-nen Packsäcken mit Schlaf-, Biwaksack und Wechselklamotten. Täglich wird so weit gepaddelt, bis die Kraft zu Ende geht, bzw. bis es dämmert. Der häufig erwähnte Pegel Horb (±50 cm) garantiert nicht, dass man im Oberen Neckar sein Faltboot nicht zuschanden fährt.
Etappe 4
Die wohl übelste Wehrstrecke eines Flusses in Deutschland. Die Segnungen der Was-serkraft werden von Limnoterra durchaus anerkannt, v.a. auch in ihrer historischen Dimension. Der Begriff Ökostrom,
der zerhäckselte Fische und Wanderungsein-schränkungen der Lebewesen in Kauf nimmt, bedarf in seiner Ambivalenz natürlich einer begrifflichen Klärung.
Etappe 5
Für diese Strecke gilt das für die Etappe 4 bereits Gesagte. Ausgesprochen ärgerlich ist die Ignoranz bis hin zur Fahrlässigkeit der (Kraftwerks)Betreiber, die bisweilen noch das Wehr ankündigen, aber in praktisch keinem Fall Hinweise auf Rettungsaus-stiege geben, oder einfachste Anlandungshilfen bereitstellen.
Wie der geschredderte Aal sollte sich auch der Kleinbootfahrer des Risikos und Haftungsausschlusses bewußt sein.
Etappe 6
Im nächsten Neckarabschnitt nicht laufend ein 30 kg Boot (beladen & nass) Böschungen hinauf und hinab zu schleppen, lässt einen - selbst angesichts der Aussicht ab Plochingen noch 27 Schleusen bewältigen zu müssen - geradezu euphorisch werden.
Etappe 7
Wie riecht der Neckar im Sommer? Durchgehend ein leicht stickiger Geruch, der von zerschlagenen bzw. sich zersetzenden planktischen Algen herrührt.
Darüber liegt die Note Balsampappel/Weide, Kot, oder ein stumpfer, an Ozon erin-nernder Geruch der Kläranlagen. Selten und nur von Sekunden Dauer sind die Ge-rüche Schiffsdiesel und Schmierfett. Und in Mannheim entlang des Mühlauhafens ein fieser Ausflug in die organische Chemie und der (erstaunlicherweise) unangenehme Geruch von Kakaoverarbeitung einer Schokoladenfirma.
Etappe 8
Die Beurteilung der Belastung des Neckars geschieht EU-weit durch Untersuchung der Artenzusammensetzung bei Tieren (Fische, Kleinlebewesen) und Pflanzen (Algen, Wasserpflanzen).
Die Ergebnisdarstellung dieser Bewertung erfolgt in Baden-Württemberg nicht mehr mittels (linearer) Farbgebung der Flüsse, bzw. ihrer Abschnitte, sondern flächig (sog. Oberflächen-Wasserkörper), was dem gewässertypisch-intuitivem Verständnis von Nicht-Fachleuten entgegensteht. Datenberge verschwinden gewissermaßen im Nebel der Datenaggregierung, was überhaupt nicht zu dem permanent geäußerten politi-schen Ziel der Transparenzförderung passt. Das Bundesumweltamt stellt eine entspre-chende Karte bereit, wonach sich der Neckar durchgehend in einem mäßig bis schlech-ten Zustand befindet. Am schlechten Zustand des Mittleren und Unteren Neckars kann sich auch in den nächsten Jahrzehnten nichts ändern. Es fehlen ihm ja sämtliche Eigenschaften eines Mittelgebirgs-Flusses (vgl. Niederungsfluss Peene).
Hinsichtlich der aktuellen chemischen Belastung des Neckars gilt, dass Konzentratio-nen bestimmter Belastungsparameter im "Vergleich zu früher" wesentlich niedriger liegen. Andererseits sind wir erst heute in der Lage, das Spektrum organischer Kompo-nenten detaillierter zu analysieren, wonach sich schnell das Gefühl einstellt, gerade einmal die Spitze des Eisbergs in den Blick zu bekommen, etwa über die Kartierung der chemischen Fußabdrücke europäischer Flüsse. Auch im Neckar überschreiten diese wenigstens die Grenzen chronischer Belastung für die (Tier)artengruppe der Wirbellosen.
Neben unserem Nicht-Wissen über Spurenstoffe und deren Kombinationseffekte (wieviel Tests wären durchzuführen und zu bezahlen?), sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, auf welch tönernen Füßen auch solide Grenzwerte vergleichsweise unkritischer Chemikalien stehen.
Als unkritisch und ausreichend für einen guten Gewässerzustand gilt beispiels-weise Chlorid (Cl-; NaCl = Speisesalz), wenn die Konzentration im Gewässer unterhalb 200 mg/l bleibt. Der
Trink-wasser-Grenzwert liegt bei 250 mg/l
(s. hierzu Info II).
Auch wenn Grenz-Konzentrationen nach teilweiser Einstellung der Salzförderung heute nicht mehr erreicht werden, bleibt die Frage, ob eine
durchgängige
- von Schwenningen bis Mannheim -
Chloridkonzentration von im Mittel 56 mg/l keine Belastung darstellt, zumal Chlorid lediglich eine Komponente von unzähligen anderen (unkritischen) ist, deren Kombi-nationseffekte (s.o.) nicht bekannt sind.
Wie hoch war wohl die ursprüngliche Chloridkonzentration im Neckar?
Lokal, z.B. an Austrittstellen mineralischer Wässer, deutlich erhöht. Auf keinen Fall aber durchgängig in der gezeigten Größenordnung über alle Teileinzugsgebiete/Geo-
logien hinweg. Daher liegen die Konzentrationen zwar unterhalb der Grenzwerte
- normal (Streusalz, Wasserenthärtung, Ausscheidungen) sind sie hingegen nicht.
Was bedeuted vor dem Hintergrund des früheren und heutigen Neckarwasser-Cock-tails, der Wärmebelastung (s.u.) der Tatsache, dass so viele Arten dem Neckar ab-handen gekommen sind und dass Gewässer"verbesserungen" (80% der Fließge-wässer Deutschlands sind in schlechtem Zustand) mittlerweile ein Plateau erreicht haben (d.h. keine maßgeblichen Verbesserungen zu erwarten sind), das Wort "Renaturierung"?4
Worst-case Szenarien waren am Neckar immer Realität
Die Grafik wurde mit frei verfügbaren,
Tages-(Wasser)Temperaturdaten der Landesanstalt für Umweltschutz (LUBW) auf der Basis von rd. 12000 Messwerten (7% Fehlstellen) erstellt.
Zwischen Gundelsheim und Guttenbach liegt das 2005 abgeschaltete (Pfeil) Kernkraftwerk Obrigheim.5
Das KKW hat über Jahrzehnte die Neckartemperatur über 21 Fluss-Kilometer auf wenigstens 2,3 K erhöht. Unmittelbar nach der Kühlwassereinleitung dürfte die Temperatur des Neckars aber wesentlich höher gewesen sein. Der Obere Neckar kühlte sich nach KKW-Abschaltung schlagartig ab - das erwartbare Phänomen.
In Rockenau beträgt die Mitteltemperatur des Neckars heute 13°C. Das Jahresmittel der Luft im Neckartal liegt hingegen zwischen 10 und 11°C. Der Neckar ist daher bereits allein auf Grund der Einleitung von Kühl- und Prozesswasser zu warm.6 Der Effekt des Klimawandels wird noch oben drauf gepackt! D.h. man darf neben dem heute im Vordergrund stehenden mittelbaren Klimaeffekt, die unmittelbar wirksame Abwärme nicht vergessen. Sie veränderte die Lebenswelt des Neckars bereits, als Klimawandel noch gar nicht unseren Wortschatz bereicherte, obwohl dieser sich längst die Welt vornahm.
Wegen der Einmündung der Enz konnte ein ähnlicher Vergleich für das Kernkraft-werk Neckarwestheim mit offiziellen Daten nicht erstellt werden. Dafür wäre eine Mess-Stelle nach der Konfluenz, z.B. in Walheim, Gemmrigheim oder Kirchheim a.N. erforderlich (gewesen).5 Bisweilen fehlen ganze Jahresgänge an Messdaten (siehe obere Grafik; Jahr 2002). Warum betrieben wir Kernkraftwerke, konnten aber keine kontinuierlichen Temperatur-Messungen durchführen? Falls vorhanden, sollten aus-sagefähige Daten im UDO (Umwelt-Daten-Karten Online) eingestellt werden.
Etappe 9
Bei erstmaliger Verwendung der Bootsschleppen ist man als Wasserwanderer ent-zückt. Bootschleppen sind Aluminium-Loren, die ins Wasser gefahren werden. Der Kajak wird darüber positioniert und kann so bequem aus dem Wasser und über längere Schleusen- bzw. Wehrstrecken gezogen werden. Leider sind diese sinnvollen Einrichtungen in die Jahre gekommen. Von den insgesamt 27 Neckar-Bootschleppen funktionierten ¼ gut, bei einem ¼ der Schleusen gibt es die Einrichtung nicht, bzw. nicht mehr. Bei rd. der Hälfte der Fälle waren die Loren schwergängig, sprangen aus dem Gleis, wucherte Gebüsch, oder es fehlten Zugseile. In Einzelfällen werden statt der Loren luftbereifte Wagen zur Verfügung gestellt. Angesichts der geringen Bedeu-tung des Wasserwanderns auf dem Neckar, sind die Wartungsdefizite verschmerzbar.
Landesamt für Denkmalpflege: „Zum Gesamtkonzept gehörte auch die Rücksicht auf die Fischerei sowie die Bedürfnisse des Wassersports. So gibt es an fast allen Stau-stufen Fischtreppen (Anm.: die meist unzureichend funktionieren) und Bootsschlep-pen (Anm.: s.o.)“.7
Etappe 10
Richtig still ist es auf dem Neckar nie. Dass es im Stuttgarter und Mannheimer Hafen beim Verladen von Schrott ordentlich scheppert, verwundert nicht. Warum auf Ab-schnitten, in denen weder Siedlung noch Industrie eine Rolle spielen, nervtötender Lärm herrscht, erstaunt schon eher.
Beispielsweise gilt dies für den tief eingeschnittenen Neckarabschnitt zwischen Rott-weil und Neckarburg, der wegen eines traditionellen Schießplatzes von Gewehrsal-ven erschüttert wird, die in
dem Engtal vielfach widerhallen. Akustisch ähnlich, die engen Schleifen des Odenwaldneckars. Insbesondere Motorrad- und Schwerlastver-
kehr verursachen hier brachiale Lärmorgien. Genaugenommen lässt der Motorrad-fahrer seinen eigenen Lärm hinter sich zurück, gewissermaßen als Abfall.
Schwerste Lastschiffe erzeugen dagegen ein gemütliches Brummen.
Etappe 11
Wie geht es weiter? Nun ist der Neckar schon einmal auf 203 Kilometern hart aus-gebaut und für 100m-Schiffe geeignet, sog. 'Oldtimer der Binnenschifffahrt'. Unbestreitbar: Schiffs-Lastenverkehr weist ein günstiges Verhältnis von Nutzlast zu toter Last auf, erfordert kaum Personal und verbraucht im Vergleich zum LKW we-niger Energie.
Nun wurden bei der Neckarfahrt der kleinen Vik selten an einem Tag mehr als 5(!) fahrende Lastschiffe passiert. Man schaue sich auf der Momentaufnahme eines Sa-tellitenbildes (Google-maps) die Zahl fahrender Frachtschiffe an. Fakt ist, dass die Tonnage auf dem Neckar (Baden-Württemberg) schon länger zurückgeht, ebenso, dass rd. 50% der Schiffe unbeladen flussabwärts fahren und perspektivisch etwa Kohletransporte (Umstellung Kohlekraftwerke auf Gas) weniger werden. In den letzten Jahren kommen 3 bis 5 Mio. Tonnen/Jahr zusammen. Das sind rd. 1% des Güterverkehrs in Baden-Württemberg.8
Gebetsmühlenhafte Forderungen wie etwa vom Verband der Region Stuttgart nach weiterer Neckar-„Ertüchtigung“ auf 135m-Schiffe, sollten angesichts vieler v.a. durch den Klimawandel bedingte Unwägbarkeiten
- Niedrigwasser
- Hochwasser
- smartere Logistik
vom Tisch sein.
Ist es angesichts der vielfach beobachteten und faktisch-maroden Infrastruktur nicht vernünftiger, das Bestehende zukunftsfähig zu erhalten und daneben verstärkt und grundsätzlich ökologische Prinzipien zu verankern, als mit (Nachkriegs-)Konjunktur-programmen den Neckar aufs Neue und noch weiter zu degradieren? Aktuell wird nach einem Entscheid der Bundesregierung die Schleusenverlängerung am Neckar zugunsten ihrer Instandsetzung zurückgestellt. Die Verlängerung sollte urspr. bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein.
Wie geht zusammen, dass die Landesregierung und der Verband d. Region Stutt-
gart einerseits Projekte zu neuer Lebensqualität (Flussregion werden!) am Wasser finanziert und daneben das Ziel - den Ausbau der Wasserstraße Neckar - nie aus den Augen verliert? Engagierte
Projektnehmer und Umweltverbände sollten sich durch-aus ihre nicht auszuschließende Feigenblattfunktion vor Augen führen.
Der Neckar...das Schwierigste ist, ihn
überhaupt wahrzunehmen
Der Staatsanzeiger vom September 2024.
„Stuttgarts verlorene Gewässer: Wie der Neckar durch die IBA’27 wieder ins Ram-penlicht rückt...die Stadt Stuttgart hadert schon lange mit
der Tatsache, dass jeg-liches Gewässer aus dem Stadtraum verdrängt wurde“. Auch die „Rückeroberung der Flüsse in der Region
Stuttgart“ wird - so scheint es - bereits von langer Hand
geplant.
Na dann...
1 Anfragen von Landtag-Abgeordneten zum ökologischen Zustand des Neckars (Umweltpolitik in
Fragen und Antworten) 2019: Drucksache 16
/ 6719 29. 07. 2019
2 Twain, M. (1880): A tramp abroad. American Publishing Company. Chatto & Windus. London.
[Beobachtungen einer solchen Befahrung sind etwa, dass Eisvögel mit wenigen Ausnahmen
wie Stuttgarter- & Mannheimer Hafen, überall und Flussregenpfeifer stetig auftreten.
Oder dass Stauden-Neophyten entlang der degradierten Neckar(blockschüttungs)ufer kaum
1 Prozent ausmachen und von Weidengehölzen - sofern man diese lässt - fast überall zurück-
gedrängt werden, folglich nicht so schnell heimische Arten ausrotten, wie so oft kolportiert.]
3 Altenhofer, U. & Altenhofer, C. (1989): Der Hadernkahn. Geschichte des Faltbootes. Pollner
Verlag. 184 S..
4
Leitmedien titeln beim Anstoß von Maßnahmen „Platz für die Natur, wie sie war“ (darunter eine
Abbildung des Neckars bei Mannheim; Frankfurter Rundschau 1.2.2023)“, oder sehen nach
Übergabe des symbolischen Schecks „Den Fluss auf einer Strecke von 3,3 Kilometern in seinen
natürlichen Zustand (welchen?)
versetzt“ (www.mannheim.de). Die meisten Redakteure stehen
hierfür jederzeit bereit (vgl. Ökologie & Natur).
Sachgerechte Recherchen wären - zugegeben -
zeitökonomisch leider verheerend.
Wer hat schon eine vage Vorstellung davon, was längst verloren gegangen ist?
Vortrag (Teil) von Prof. Dr. Sieglin beim Verein für vaterländ. Naturkunde in Württemberg (1892):
„Nicht nur im hohen Norden Deutschlands in der Nähe der Nord- und Ostsee, sondern auch in verschie-
denen Gegenden Süddentschlands sah man sich in früheren Jahrhunderten
veranlasst, zu bestimmen, dass
keine Dienstherrschaft das Recht habe, ihrem Gesinde gegen dessen Willen mehr
als zweimal wöchentlich
Lachs vorzusetzen. Diese guten Zeiten sind nun wohl für immer vorbei,
da die Polizei sich genötigt sah, in
solcher Weise zum Schutze der Dienstboten einzugreifen ! Ist doch, soweit
ich ermitteln konnte, der letzte
Lachs in württembergischen Gewässern im Jahre 1887 in der Nähe von
Jagstfeld und der vorletzte einige
Jahre früher in Heilbronn gefangen worden!“
5 Gewässerdirektion Neckar Hrsg. (2003): Gütezustand der Fließgewässer im Neckar-Einzugs-
gebiet. IKONE Heft 5. 39 S..
Die behördliche Dokumentation enthält auf S. 25 eine Grafik, wonach die mittlere Temperatur
im Jahr 2001 an der Station Rockenau 15°C betrug. Daten der zum KKW nächstgelegenen
Station Guttenbach (= höhere Werte) werden hingegen nicht dargestellt.
In derselben Abbildung wird der Efffekt des KKW Neckarwestheim zwischen Besigheim (unge-
eignete Referenz s.o.) und Laufen gezeigt. Zum Verständnis: Diese Daten sind nicht falsch. Nur
ist die Darstellung beschönigend, oder andere Datensätze konnten wg. fehlender Validität nicht
verwendet werden.
6 Die Regression zwischen Anstieg der mittleren Lufttemperatur und Wassertemperatur von
Oberflächengewässern taugt mit einer Steigung von 1 als erste Näherung.
7
Die Broschüre zum Kulturdenkmal Schleuse ist faszinierend. Ein weiterer/anderer Zugang
zum
Neckar. Aktuelles zum Ausbau der Schleusen am Neckar: Landtagsprotokoll vom 25.10.2023.
8 Daten: WSV - Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.